Frauenfussball-EM: Der Durchbruch der Dolmetscherin
Die Deutsche Elf ist in Schweden angekommen. Kein Neuland für Spielerin Anja Mittag, die in Malmö unter Vertrag steht. Das erste Match ist am Donnerstag.
FRANKFURT/VÄXJÖ taz | Die erste Wegstrecke führte den EM-Titelverteidiger von Frankfurt nach Växjö. Die Uefa-Obrigkeiten haben das so bestimmt. Anders als bei den Männern darf das deutsche Frauenfußball-Nationalteam seine Herberge nicht selbst aussuchen. Växjö bedeutet so viel wie „der Weg am See“, was für die kleine südschwedische Universitätsstadt eine sehr treffende Bezeichnung ist. Die Provinz Småland ist geprägt von Wäldern und Gewässern.
Am Sonntag trafen die deutschen Fußballerinnen hier ein und bezogen ihr erstes Quartier – ein modernes, lichtdurchflutetes Stadthotel. Einen Dolmetscher braucht die 48-köpfige Delegation übrigens nicht, denn mit dabei ist eine deutsche Nationalspielerin, die fast perfekt die Landessprache spricht. Anja Mittag steht nämlich seit anderthalb Jahren beim schwedischen Spitzenverein Ldb FC Malmö unter Vertrag – dass dort keine Spiele stattfinden, bedauert sie übrigens ein bisschen. „Malmö ist eine tolle Stadt. Aber mir gefällt das ganze Land: Die Leute sind freundlich, hilfsbereit und relaxt.“
Am Donnerstag geht es in Växjö gegen die Niederlande und am Sonntag gegen Island (jeweils 20.30 Uhr/live ZDF). Für das dritte Gruppenspiel gegen Norwegen reist die Mannschaft laut Spielplan nach Kalmar. Hier würde auch das Viertelfinal ausgetragen. Schafft die Nationalelf es ins Halbfinale, reisen sie dafür weiter nach Norrköping. Die Schwedin-Expertin Anja Mittag darf schon mal darauf verweisen, warum es sich lohnt, auch noch das Endspiel zu erreichen. „Stockholm ist herrlich.“
Die neue Arena in Solna wird am 28. Juli Schauplatz des Finals sein. Die 28 Jahre alte Anja Mittag sagt, sie stehe für Ratschläge zum Gastgeberland jederzeit zur Verfügung, sie mag aber nicht „den Klugscheißer spielen“. Die skandinavische Bevölkerung, so hat sie erfahren, verfolge einen sportiven Lebensansatz, „die Schweden achten sehr auf die Ernährung, es gibt viele ökologische Cafés“ – das sei ein anderes Bewusstsein als in Deutschland.
Anja Mittag kämpft mit hohen Preisen in Malmö
Doris Fitschen, die Managerin des deutschen Frauennationalteams, berichtet, der Vorverkauf deute darauf hin, dass sich die Gastgeber für das Event begeistern lassen. Wobei die Dimensionen im Vergleich zur WM 2011 gewiss wieder kleiner ausfallen werden. „Männerfußball, Handball, Eishockey stehen höher im Kurs“, erzählt Anja Mittag, „700, 800 Zuschauer kommen im Schnitt zu unseren Spielen.“
Finanziell habe sie sich in Malmö gegenüber ihren neun Jahren in Potsdam nur geringfügig verbessert, und sie möchte klarstellen, dass sie mehr Steuern zahle und höhere Lebenshaltungskosten habe. Aber der Weggang sei damals nötig gewesen, „ich musste mal was anderes sehen“. Zumal es in jeder Hinsicht den Neuanfang markierte, der einen erstaunlichen Reifeprozess der aus Chemnitz stammenden Fußballerin in Gang setzte.
Noch zur WM 2011 blieb die verunsicherte Offensivallrounderin außen vor; völlig zu Recht, sagt sie, habe Silvia Neid so entschieden. „Das war absehbar.“ Die Gründe? „Ich war einfach müde, kaputt, ausgebrannt von allem.“ An Rücktritt habe sie gleichwohl nie gedacht, und so ist auch in der Beziehung zur Bundestrainerin nichts Negatives hängen geblieben.
Die 91-fache Nationalspielerin hat sich mittlerweile wieder einen Stammplatz erobert, wenn auch nicht auf ihrer Lieblingsposition in der Spitze, sondern auf dem Flügel. Neben ihrer Dynamik könnten ihre Erfahrung und Routine im Turnierverlauf an Wert gewinnen: Sie ist die drittälteste Spielerin im Kader, hat an den EM-Triumphen 2005 und 2009 selbst mitgewirkt. Angesichts des Generationswechsel reibt sie sich manchmal noch selbst die Augen: „Ich habe doch früher noch mit Sandra Smisek, Birgit Prinz oder Silke Rottenberg zusammengespielt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
BSW in Thüringen
Position zu Krieg und Frieden schärfen