Camp auf dem Oranienplatz: Die Nerven liegen blank
Integrations-beauftragte schickt Beraterinnen auf den Oranienplatz. Innensenator Henkel und Bezirksbürgermeisterin Herrmann treffen sich.
Bislang lieferten sich Monika Herrmann (Grüne) und Innensenator Frank Henkel (CDU) einen Schlagabtausch nur über die Medien. Die neue Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg verteidigte das Flüchtlingscamp, der Innensenator dagegen liebäugelte mit einer Räumung. Am Freitag trafen sie sich nun erstmals zum Gespräch. Was genau geredet wurde, sei vertraulich, hieß es hinterher von beiden Seiten. Herrmann sagte nur so viel: „Wir sind beide an einer Lösung interessiert, im Idealfall an einer gemeinsamen. Und wir bleiben im Gespräch.“
Auf dem Oranienplatz hat normalerweise der Bezirk das Sagen – vorausgesetzt, er verstößt nicht gegen Verwaltungsvorschriften. Laut Berliner Verfassung kann der Senat jedoch eingreifen, wenn „dringende Gesamtinteressen Berlins beeinträchtigt werden“. Henkel könnte wohl also eine Räumung veranlassen. Bislang hieß es dazu aus seiner Verwaltung, man prüfe ein Eingreifen. Am Freitag wollte sich eine Sprecherin nicht mehr zum Thema Räumung äußern.
Wie geht es also weiter mit dem Camp? Seit bald einem Jahr zelten die Flüchtlinge auf dem Oranienplatz. Die Warterei ohne Perspektive zermürbt sie. Bei Einzelnen liegen offenbar die Nerven blank. Es kommt immer wieder zu Streitigkeiten zwischen den Campbewohnern. Am Donnerstag vor zwei Wochen wurde die Polizei alarmiert. Ein Jamaikaner soll laut einem Sprecher von einem Mann aus Sudan, der Alkohol oder Drogen konsumiert hatte, angegriffen worden sein. Einen Tag später musste wieder die Polizei anrücken, weil ein Mann aus Mali einen anderen Flüchtling angeblich mit einem Messer attackiert hatte. Die Polizei durchsuchte das Camp nach Täter und Waffe. Es wurden Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung eingeleitet.
Um die Situation für die einzelnen Flüchtlinge zu verbessern, schickte die Integrationsbeauftragte des Senats, Monika Lüke, am Donnerstag zwei Mitarbeiterinnen auf den Oranienplatz für eine Rechts- und Sozialberatung. „Es gibt einen hohen Bedarf“, sagte hinterher Imke Juretzka, eine der beiden. Sie hätten ihr Angebot zunächst in größerer Runde vorgestellt und dann zwölf Einzelgespräche geführt. Die beiden Frauen klären über aufenthaltsrechtliche Möglichkeiten auf und vermitteln an andere Hilfsorganisationen. Wegen der großen Nachfrage seien weitere Beratungen sowohl auf dem Oranienplatz als auch in der Integrationsverwaltung geplant, so Juretzka.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Bestürzung und erste Details über den Tatverdächtigen
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen