Piraten in Somalia: „Regelrechte Horrorstreifen“

Schiffe kapern vor Somalia ist von gestern. Die internationalen Marineeinsätze haben dagegen geholfen – vor allem per Abschreckung.

Britische Marines entern ein von somalischen Piraten gekapertes Schiff. Bild: reuters

GAROWE/MOGADISCHU taz | Krieg auf See: Die Besatzung eines russischen Marineschiffs richtet ihre Geschütze auf ein Boot vor der somalischen Küste, sie halten es für das Mutterschiff von Piraten. Sie schießen, bis sie das längst brennende Schiff versenkt haben.

Der Somalier Abdinaasir Mohamed Yusuf hat solche Szenen zu einem Aufklärungsfilm zusammengeschnitten und fährt damit in somalische Piratendörfer. Yusuf lebt in Garowe, Hauptstadt der autonomen Republik Puntland an Somalias Nordostspitze. Garowe war früher mit Orten wie Hobyo, Eyl und Haradheere Hochburg der Seeräuber. Yusuf arbeitet für das zivilgesellschaftliche Puntland Development and Research Center (PDRC). Wenn er an die Küste fährt, hat er eine aufblasbare Leinwand im Gepäck, auf die er seine Filme projiziert.

„Das sind regelrechte Horrorstreifen“, sagt Yusuf. „Sie zeigen, wie die Piraten beschossen werden, wie Schiffe in Flammen aufgehen, wie die Männer verhaftet werden.“ Die Mütter und Väter der Piraten und die traditionellen Ältesten hätten von all dem keine Ahnung. „Sie machten sich kein Bild davon, dass da draußen Marineschiffe der mächtigsten Nationen der Welt gegen ihre Söhne und Nachbarn kämpfen.“

In den vergangenen Monaten ist die Piraterie vor der Küste Somalias drastisch zurückgegangen. Im ersten Halbjahr 2013 registrierte die Internationale Piraten-Meldestelle IMB nur noch acht Piratenangriffe, zwei davon erfolgreich. Die gekaperten Schiffe konnten nach kurzer Zeit befreit werden. Schon 2012 hatte sich die Zahl der Schiffsentführungen gegenüber dem Vorjahr halbiert. Fachleute rätseln, woran das liegt.

Eine Somalia-Konferenz der EU in Brüssel hat am Montagnachmittag ein „neues Kapitel“ der internationalen Zusammenarbeit mit dem Bürgerkriegsland aufgeschlagen. In einem sogenannten New Deal will die EU mit 650 Millionen Euro die Wiederherstellung der Sicherheit, eine Reform des Rechtssystems, eine funktionierende Finanzverwaltung und wirtschaftlichen Aufschwung finanzieren. „Der New Deal steht für Konsultationen in ganz Somalia, damit das Land wieder mehr als eine Ansammlung von Ortschaften und Regionen, sondern ein Bundesstaat und eine Nation wird“, sagte EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in ihrer Eröffnungsrede. Somalias Präsident Hassan Sheikh Mohamud mahnte: „Dieser New Deal muss rasch bei den Menschen ankommen.“

Deutschland stellte knapp 90 Millionen Euro in Aussicht, teils über die Afrikanische Union (AU). Dadurch werde honoriert, dass Somalias Regierung „Fortschritte bei der Stabilisierung des Landes gemacht hat“, erklärte Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel.

Die radikal-islamistischen Shabaab-Milizen verspotteten die Hilfszusagen: „Sie sind ein bisschen wie belgische Waffeln: Süß auf den ersten Blick, aber nicht viel Inhalt.“ Die Gelder würden entweder nicht gezahlt oder durch Korruption versickern. (afp, dpa)

Verschiedene Strategien gemeinsam hätten in diesem Fall zum Erfolg geführt, meint Yusuf: Militärische Präsenz, juristisches Durchgreifen, Aufklärung. In den einstigen Piratendörfern sei das Geschäft tot, die Finanziers und Hintermänner hätten sich abgewandt. „Piraterie ist keine attraktive Investition mehr. Inzwischen scheitern 99 Prozent der Überfälle.“

Oberpirat „Großmaul“

Mohamed Abdi Hassan, genannt „Afweyne“ oder „Großmaul“, ist einer der früheren Drahtzieher. Inzwischen lebt er in einer neuen Villa in Somalias Hauptstadt Mogadischu. Der prunkvolle Neubau steht mitten in einem ausgedehnten Trümmerfeld. Der Besucherraum ist mit schweren Plüschvorhängen geschmückt, weiche Kissen laden zum Bleiben ein, das Personal bringt frischen Fruchtsaft.

Einem UN-Bericht zufolge war Hassan einer der einflussreichsten Hintermänner des Piratennetzwerkes in Hobyo und Haradheere. Im Frühjahr gab er medienwirksam bekannt, er steige aus der Piraterie aus.

Im Gespräch gibt sich der 50-Jährige als Robin Hood der Meere. „Ich hatte die Idee mit der Piraterie, als ich sah, wie die ausländischen Flotten unsere Gewässer schamlos plünderten“, behauptet er. Denn nach dem Zusammenbruch der somalischen Regierung 1991 gab es ja weder Küstenwache noch Marine. Hassan hatte ein eigenes Fischereiunternehmen, war also schon damals kein armer Mann.

Seine vier Schiffe und bis zu 200 Crewmitglieder setzte er fortan als Seeräuber ein. Das Lösegeld sei damals noch bescheiden gewesen, „nur eine Art Fischereigebühr“. Schon 2007 sei er ausgestiegen, weil es „ab da richtig kriminell wurde“.

Öl und Kampfpanzer geklaut - für nix

Die UN dagegen hält Hassan für einen der Verantwortlichen für die Entführung des saudischen Supertankers „Sirius Star“ im November 2008. Für dessen Freigabe wurden mehrere Millionen Dollar gezahlt. Auch die „Faina“ sollen seine Leute in seinem Auftrag im September 2008 entführt haben, ein ukrainisches Schiff mit 33 Kampfpanzern für den Südsudan.

Richtig an den Berichten sei bloß, sagt Hassan, dass er um die 900 ehemalige Piraten vom Aufhören überzeugt habe. Sein Argument: „Ich sagte ihnen, dass es Arbeitsbeschaffungsprogramme für sie geben würde.“ Er verließ sich dabei auf eine Zusage des damaligen Übergangspräsidenten Sheikh Sharif Sheikh Hassan. Aber das sei ein leeres Versprechen geblieben.

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