Comics für Kinder: Farbenpracht und feiner Humor

Ob Ketchup, Duden oder Rotkäppchen: Drei Graphic Novels für junge Leser beschreiben die Welt auf unkonventionelle Weise.

Aus dem Comic „Ketchup für die Königin“ von Rutu Modan. Bild: verlag antje kunstmann

BERLIN taz | Angeregt durch eine kuriose Unterhaltung mit ihrer kleinen Tochter über Tischmanieren begann die israelische Comic-Autorin Rutu Modan erstmalig eine Geschichte für Kinder zu zeichnen. Ihr Buch „Ketchup für die Königin“ ist nun gerade auch auf Deutsch erschienen.

Eltern und Kinder kennen jene nervenaufreibenden Szenen, in denen verzweifelt um den Gebrauch von Messer und Gabel gerungen wird. Oder um die Nutzung von Servietten: mehr Varianz beim Essen und etwas weniger Action am Tisch. Solch eine Situation, in der niemand besonders gut abschneidet, nimmt in Rutu Modans Comic jedoch eine ganz und gar überraschende Wendung.

Als Ninas Vater von seiner Tochter nach dem Sinn dieser ganzen Manieren gefragt wird, kontert er vermeintlich originell: „Und was machst du, wenn dich die Königin von England zum Essen in den Buckingham-Palast einlädt?“ Da klingelt es an der Tür, und schon steht ein Fanfarenträger seiner britischen Majestät in der Küche, um die kleine Nina zu einem festlichen Dinner im königlichen Palast abzuholen.

Auf Socken und leicht beunruhigt macht sich das Mädchen im Privatflugzeug der Royals auf den Weg nach London, wo sie die Königin, deren Erscheinung an Hergés Operndiva in „Die Juwelen der Sängerin“ erinnert, mit ihrer Entourage erwartet. Rutu Modans Zeichenstil ist detailreich, aber nicht überladen, farbenprächtig, aber nicht bunt.

Mit einem feinen Gespür für Humor gelingt es ihr in unaufgeregten szenischen Bildern und mit überraschenden Perspektiven, den nun folgenden „Clash der Kulturen“ packend darzustellen. Ninas Neugier für diese ihr fremde Welt, aber auch ihre mutige Selbstbehauptung bei Hofe beeindrucken am Ende nicht nur die englische Königin.

Eine Art Kinderduden

Rutu Modan: „Ketchup für die Königin“. Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler. Verlag Antje Kunstmann 2013, Hardcover, 32 Seiten, 14,95 Euro.

Roberto Innocenti (Bilder) und Aaron Frisch (Text): „Das Mädchen in Rot“. Aus dem Englischen von Ulli und Herbert Günther. Gerstenberg Verlag 2013, gebunden, farbig illustriert, 32 Seiten, 16,95 Euro.

James Turek: „Make my day! Mein wildes Englisch-Wimmelbuch“. Originalausgabe, ab 8 Jahre. Klett Kinderbuch 2013, durchgängig farbig illustriert, gebunden, 32 Seiten, 13,95 Euro.

Hier eine weitere – unvollständige – Auswahl zu empfehlender Kinderbücher aus den Herbstprogrammen der Verlage:

Aleksandra Mizielinska/ Daniel Mizielinski: „Alle Welt. Das Land- kartenbuch“. Anschaulich gezeich- neter Weltatlas von den Autoren von „Treppe Fenster Klo“. Aus dem Pol- nischen von Thomas Weiler. Papp- band in Fadenheftung, 112 Seiten, 26 Euro, Moritz Verlag, 2013.

Maurice Sendak (Bild), Else Holmelund Minarik (Text): „Der Kleine Bär“.Neuauflageeinesder schönsten Kinderbücher überhaupt! Aus dem Englischen von Erdmut Gross. Hardcover: 64 Seiten, 9,95 Euro. Aladin Verlag, 2013. Ab 5 Jahre
.

David Zimako (Text), Horst Klein (Bild): „Tripp, Trapp, Trüm- mer. Ein Roboter außer Kontrolle“. Eine neue spannende Episode von den drei dänischen Brüdern, dem seltsamen Parly und ihrem Erzfeind Billen. Aus dem Dänischen von Christine Heinzius. Hardcover, 96 Seiten, 9,95 Euro. Klett Kinder- buch, 2013. Ab 8 Jahre (ecm).

Auch der in Leipzig lebende US-Amerikaner James Turek zeichnet Comics. Diesen Stil hat er nun für das Englisch-Wimmelbuch „Make My Day!“ adaptiert. Mit kräftigem Strich entwirft er darin ziemlich dynamische Alltagsszenen – zu Hause, in der Schule, beim Arzt und im Zoo. Entstanden ist eine Art zeitgenössischer Kinderduden für den ersten englischen Grundwortschatz. Tiere und tierähnliche Charaktere sind die sympathischen Protagonisten auf den turbulenten, randvollen Seiten dieses Buchs.

Doch trotz des vordergründigen Chaos erschließen sich die den Abbildungen zugeordneten englischen Begriffe erstaunlich eindeutig. Und auch das Verstehen der kurzen Texte in den Sprechblasen wird im Zusammenhang mit den dargestellten Szenen leichter.

Einen sehr eigenen, unverwechselbaren und irgendwie aus der Zeit gefallenen Zeichenstil pflegt der italienische Kinderbuchillustrator Roberto Innocenti. In dem ungewöhnlichen Bilderbuch „Das Mädchen in Rot“ verlegt der vielfach ausgezeichnete Autodidakt das grimmsche Märchen vom Rotkäppchen in eine heruntergekommene, düstere Landschaft mit Highways, trashigen Shopping Malls und heruntergekommenen Sozialblöcken.

Auf dem Weg zu ihrer kranken Großmutter bewegt sich Sophia, das Mädchen im roten Mantel schlafwandlerisch durch einen städtischen Albtraum aus Blechlawinen, Menschenmassen und Leuchtreklamen. Von ihrem Weg abgekommen, begegnet sie dem Wolf, einem breitschultrigen, schwarz gekleideten Motorradtypen. Auch das Happy End kommt für Sophia und ihre Großmutter nicht in Gestalt eines rettenden Jägers, sondern einer Spezialeinheit der Polizei.

Innocenti gelingt es mit dieser magisch realistischen Bildgeschichte ein Interesse und eine ambivalente Faszination für eine Welt herzustellen, die nicht in Ordnung ist. Der begleitende Text von Aaron Frisch schafft es allerdings in keinem Moment, mit den starken Illustrationen Schritt zu halten.

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