: Kinder an den Herd
Mit einem Kochwettbewerb für Schüler und Schülerinnen will die schleswig-holsteinische Regierung den Hauswirtschaftsunterricht interessanter machen. Eine Reportage von Esther Geißlinger
Es brutzelt, zischt, platscht – und vor allem duftet es: Nach Olivenöl und Zucchini, nach Pfannkuchen und Fisch, nach Beeren und nach viel Arbeit. Die Luft ist dick von den Düften, die von acht gleichzeitig angeheizten Herden aufsteigen, von Hackbrettern, aus Töpfen und Schüsseln.
Mitten im Dampf steht Timo Witt. Der 14-Jährige sieht ein bisschen aus wie der frühe Harry Potter, ganz Schlacks und viel Brille im Gesicht. Vielleicht erinnert er auch deshalb an einen Zauberlehrling, weil er im Topf rührt und aufmerksam über die Brille äugt auf das Rezeptbuch vor ihm. Timo kocht, und mit ihm weitere 15 Jugendliche beiderlei Geschlechts.
Kochen ist magisch: Es verwandelt rohe Zutaten wie Äpfel oder Fisch in warme Mahlzeiten. Aber Kochen ist keine Hexerei – die Menschheit beherrscht es seit Jahrtausenden. Erst in diesem hat sie es wieder verlernt. „Die Kinder wissen nicht, wie man Nüsse knackt oder eine Dose öffnet“, sagt Katrin Radke, Hauswirtschaftslehrerin an der Realschule Wilster. „Man muss ihnen beibringen, dass man nicht schreiend davonrennt, wenn Milch hochkocht“, sagt ihr Nordstrander Kollege Roland Stöcker. „Einige Kinder haben zu Hause Küchenverbot“, erzählt Monika Samways, Lehrerin aus Oldenburg.
Sie alle unterrichten Kinder am Kochtopf – zwei oder drei Stunden in der Woche, ein halbes Jahr lang. In vielen Schulen ist Hauswirtschaft ein Wahlfach, wer nicht an den Herd will, geht in den Werkunterricht, und das scheint Sechst- bis Achtklässlern oft spannender als der Küchendienst. Es müsste mehr Hauswirtschaftsunterricht geben, da sind sich die LehrerInnen einig: „Es geht ja auch um die Frage: wie geht man mit Geld um, wie kauft man ein“, sagt Stöcker.
In Zeiten von Gammelfleisch, Fast Food und Übergewicht ist Essen ein Politikum geworden. Darum haben sich gleich zwei Ministerien, das für Landwirtschaft und das für Gesundheit, zusammengetan, um der nächsten Generation wieder Geschmack beizubringen: „Schleswig-Holstein is(s)t lecker“ heißt ein Wettbewerb, an dem sich Schulklassen aus dem ganzen Land beteiligen. 16 Teams kochen in der Vorrunde gegeneinander, ausgewählt aus rund 30 Bewerbern. Gefordert waren Menüs mit regionalen und saisonalen Zutaten, kindgerecht und nicht zu teuer.
Es geht um mehr als um die Wurst, es geht ums große Ganze: „Die Kinder sollen sich bewusst mit dem Essen auseinander setzen – wie schmeckt es, woher stammt es? Es geht auch um soziale Kompetenz“, sagt Wolfgang Götze vom Landwirtschaftsministerium.
Für Timo Witt und seine Mitstreiter von der Realschule Süderbrarup geht es zunächst um „Kürbiscremesuppe, Kohlrouladen mit Wirsinggemüse, Apfel-Crumble mit Vanillesoße“ – das ist ihr Menüplan für heute. Katarina Balke, die am Herd nebenan das Gemüse überwacht, hat wenig Zeit zum Plaudern – bis Ende des Wettbewerbs bleiben nur noch wenige Minuten. Kochen bringe Spaß, meint sie immerhin, auch wenn das ganze Team zurzeit aussieht, als wünsche es sich weit weg. Nudeln seien ihr Lieblingsgericht, sagt Katarina, und ein wenig kochen habe sie auch schon zu Hause gelernt. Das Gleiche sagen die Jungen – aus Sicht der LehrerInnen eher ungewöhnlich: „Jungen bringt Kochen zwar wahnsinnig viel Spaß“, so Katrin Radke. „Aber schon die Kleinen sagen, dass das später auf dem Bauernhof mal ihre Frau machen würde.“
Dennoch hoffen die LehrerInnen, dass ihre Schützlinge später einmal mehr können als einen Pizzakarton aufmachen. Eine Chance sehen sie im Ganztagsunterricht – dort gehört gemeinsames Kochen und Essen zum Lehrplan. Zum Beispiel im Dorf Norderstapel: An zwei pro Woche kochen an der dortigen Realschule die Neunt- und Zehntklässler für die Jüngeren: „Sie müssen selbst einkaufen, planen, kochen und wirtschaften“, berichtet Bärbel Hansen, die ebenfalls ein Vorrundenteam betreut. Nudeln, ägyptisches Hähnchen, Quiche stehen auf dem Speiseplan. Die Grundfertigkeiten – Zwiebeln schneiden, Kartoffeln schälen, Kräuter am Geruch erkennen – lernen bereits die Achtklässler.
Der Wettbewerb ist beendet, die Jury geht ans Werk. Das Team um Timo, Mathias und Katarina hat einen Fehler gemacht: Die Grundfarbe ihrer drei Gänge ist gelb, das gibt gleich Abzüge. Am Ende landet das Team auf dem letzten Platz. Gewonnen hat in dieser Runde Nordstrand – mit selbst gemachten Fischstäbchen.