Die Wahrheit: Paketboten des Grauens
Tagebuch einer Bestellerin: Was man so erleben kann, wenn ein Paket im DHL-Shop sehnsüchtig auf einen wartet.
I ch befürworte es, sich in kalten Jahreszeiten, in denen der Mensch erschöpft und ausgelaugt ist, wichtige Artikel wie schwer aufzutreibende Gewürze, Kosmetikprodukte und Serien-DVDs von Versandunternehmen anliefern zu lassen. Blöd ist nur, wenn die schöne Bequemlichkeit sofort im Eimer ist, weil Herr oder Frau Bote beschließt, man sei nicht zu Hause und einem von Vorwürfen triefende Zettel in den Briefkasten patzt: „Wir haben Sie leider nicht angetroffen, bitte holen Sie ihre Sendung, bla bla bla“.
Bis vor Kurzem durfte man Päckchen wohlbehalten beim freundlichen Italiener seines Vertrauens in Empfang nehmen: „Ah, Signora Pia, ’abe isch Paket fur Sie …“. Aber nix mehr! Dabei hatte man schon die Minuten gezählt, bis man endlich das begehrte Objekt in Händen hält, und dann das!
Mittelmäßig angesäuert begibt man sich also samstagsmorgens zur Ausgabestation, während man doch lieber wie die fröhlichen Wochenendler auf dem benachbarten Markt mit Cappuccino und Currywurst Kraft tanken und anschließend die Stände heimsuchen würde.
Im DHL-Laden herrscht reger Publikumsverkehr. Der Vordermann beschwert sich ausführlich, er habe seine Benachrichtigung erst drei Tage nach der versuchten Auslieferung erhalten. Und warum eigentlich Pakete nicht mehr beim Nachbarn abgegeben werde? Wunderbar, ein Leidensgenosse!
Der DHL-Mitarbeiter spricht von Verantwortung. „Sie ahnen ja nicht, was wir für Beschwerden kommen! Manche nehmen was an, klauen den Inhalt, machen wieder zu und behaupten, sie hätten die Sendung nie angefasst!“ Aufkeimendes Verständnis, der Mitmensch ist auch nicht mehr das, was er mal war. „Oder die Vollpfosten, die nach Annahme einer Sendung 14 Tage in Urlaub fahren!“ Widerstrebende Zustimmung. Ja, leider, die kennt man. „Und stellen Sie sich vor, neulich stand hier jemand zitternd vor Wut: ’Mit Herrn Müller rede ich nicht! Der Mann ist ein Psychopath! Holen Sie mein Paket da raus!‘ “
Da bleibt einem die Beschwerde endgültig im Hals stecken. Wie sollte man denn auch ahnen, was hier los ist! Hysterische Kunden verlangen, ihre verängstigten Päckchen aus der Geiselhaft schwer gestörter Nachbarn zu befreien! „Und?“, will man atemlos vor Spannung wissen, „rückt dann eine geschulte DHL-Sondereinheit für die ganz schweren Fälle an?“ Ja, ja, sie seien dann dahin und hätten mit einem Deeskalations-Team bei Herrn Müller die Herausgabe erwirkt.
Das sei ja schlimmer als in München, meint der Vordermann beeindruckt – was ich übrigens bestreiten würde, nichts ist schlimmer als München. Da hätte der Bote Päckchen immer bei einer Versicherung abgegeben, wo man von zehn bis drei arbeitete. Deshalb hätte er nie was gekriegt, weil er ja selbst bei der Arbeit war, und jetzt will er sich die Sachen nicht nachschicken lassen, denn dann kämen ja wieder nur Zettel und … siehe oben.
Mein Lösungsvorschlag: Julklapp bei der Versicherungsweihnachtsfeier, Paare finden sich, Kinder werden geboren, die Renten sind sicher. Danke, DHL!
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