: Innenminister entdecken Humanität
Das Zuwanderungsgesetz hat bei Abschaffung von Kettenduldungen versagt. Jetzt sollen zumindest gut integrierte Flüchtlinge neue Chancen auf einen festen Aufenthalt bekommen. Heute beraten die Länderinnenminister verschiedene Vorschläge
VON CHRISTIAN RATH
„Eine späte Abschiebung wird generell als ungerecht empfunden. Da können wir humanitäre Gesichtspunkte zur Geltung bringen, ohne die Bevölkerung zu überfordern“, sagte der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU) in unerwarteter Weitherzigkeit. Auf der heute beginnenden Innenministerkonferenz werden mehrere Vorschläge diskutiert, mit denen Flüchtlingen ein Bleiberecht eingeräumt würde, die bisher in Deutschland nur geduldet sind.
Nach Angaben der Länder lebten Ende 2004 rund 200.000 geduldete Ausländer in Deutschland. Sie sind eigentlich ausreisepflichtig, zum Beispiel weil ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Oft ist aber eine Abschiebung nicht möglich, wenn im Heimatland Bürgerkrieg herrscht oder wenn die Ausländer keine Papiere mehr haben. Auf die Abschiebung wird dann jeweils für drei oder sechs Monate verzichtet. Eine klare Lebensperspektive haben die Betroffenen nicht. Nach Angaben von Pro Asyl sind derzeit 150.000 von ihnen schon länger als fünf Jahre in Deutschland.
Eigentlich wollte das Zuwanderungsgesetz die Praxis der Kettenduldungen beenden. Dieter Wiefelspütz, der innenpolitische Sprecher der SPD, hatte einst gehofft, dass etwa die Hälfte der Betroffenen nun ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht erhält. Doch die meisten Länder sind sehr restriktiv und lehnen solche Anträge überwiegend ab, weil eine „freiwillige Ausreise“ möglich sei – auch in den Irak oder in das Kosovo. „Am aufgeschlossensten ist bisher das Land Rheinland-Pfalz“, erklärt Bernd Mesovic von Pro Asyl. Unter dem Strich sei nur in „einigen tausend Fällen“ die Kettenduldung beendet worden.
Die übrigen Fälle sind bisher auf Härtefallkommissionen angewiesen, die inzwischen in fast allen Ländern eingerichtet wurden. Hier ist aber nur mit einigen hundert weiteren positiven Bescheiden zu rechnen. „Diese Kommissionen sind damit überfordert, strukturelle Mängel der deutschen Politik zu beheben“, kritisiert die Grünen-Parteichefin Claudia Roth.
Die große Koalition hat im Koalitionsvertrag zwar eine Prüfung des Zuwanderungsgesetzes vereinbart, doch das kann Jahre dauern. Die Innenminister von Bund und Ländern beraten deshalb über Lösungen, die durch bloße Erlasse umgesetzt werden könnten. So schlägt Nordrhein-Westfalen vor, Ausländern ein Bleiberecht einzuräumen, wenn sie seit sechs Jahren in Deutschland leben und seit zwei Jahren einen unbefristeten Arbeitsvertrag haben. „Das nützt aber höchstens einer Hand voll Leuten“, kritisiert Pro Asyl, denn für geduldete Ausländer ist es schwer oder unmöglich, normale Arbeitsverträge zu bekommen.
Die Vorschläge aus Hessen und Berlin sind weniger streng, weil sie auch arbeitslosen, aber gut integrierten Flüchtlingen mit Kindern eine Chance geben wollen. Doch solche Vorschläge gehen wohl ins Leere, denn die Innenministerkonferenz beschließt einstimmig.