Entwicklungsbank warnt vor Taifun-Folgen: Die späten Opfer von Haiyan

Vor drei Monaten verwüstete der Wirbelsturm „Haiyan“ Teile der Philippinen. Die Katastrophe könnte die Armut dauerhaft zementieren, für den Aufbau fehlt Geld.

Immerhin kommt in der Stadt Tacloban Hilfe an: Lehrer Pascualito Ilagan reparierte das Dach seiner Schwägerin und bedankt sich. Bild: dpa

ACLOBAN/MANILA taz | Jun Jun Macato weiß nicht, wie es weitergehen soll mit ihm und seiner Familie. Der Philippiner verdient seinen Lebensunterhalt als Tricyclefahrer. Bis zu 16 Stunden kutschiert er mit seinem Moped und dem mehrere Personen fassenden Beiwagen Passagiere durch Tacloban, die Provinzhauptstadt der Insel Leyte. Das reichte, um die drei Kinder zur Schule schicken zu können. Der Mittvierziger war zufrieden und hoffte, dass seine Kinder einmal besser bezahlte Jobs finden würden. Jetzt hat er diese Hoffnung nicht mehr.

Am 8. November letzten Jahres hat der Taifun „Haiyan“ nicht nur seine Hütte zerstört, sondern auch Macatos Zukunftspläne. „Wir haben alles verloren durch den Sturm. Jetzt hausen wir bei Verwandten. Keine Ahnung, wie ich uns wieder ein Leben aufbauen soll“, so Macato. Zwar hat sein Tricycle den Sturm wie durch ein Wunder überstanden, „aber es kann sich ja kaum noch jemand eine Fahrt mit mir leisten. Wir sind jetzt arm wie die Kirchenmäuse. Wie soll ich das Schulgeld für die Kinder zusammenkratzen?“

Wie Macato geht es Hunderttausenden Menschen in dem Gebiet, das der Taifun verwüstet hat. Schon vor dem Supersturm, der vor allem auf der zentralen Inselgruppe der Visayas bis zu 8.000 Menschen den Tod brachte und mehr als vier Millionen obdachlos machte, gehörten die Bewohner der so idyllisch wirkenden Tropeninseln zu den ärmsten des Archipels. 2009 lag die landesweite Armutsquote bei 26,9 Prozent, auf den Visayas betrug sie je nach Region 31 bis 41,2 Prozent.

Die in Manila ansässige Asian Development Bank (ADB) kommt jetzt in einer Studie zu dem Schluss, dass der Taifun weitere 1,5 Millionen Menschen in die Armut reißen könnte. Sie befürchtet, dass die Armutsquote im Epizentrum des Sturms, auf den östlichen Visayas, zu denen die Inseln Leyte und Samar gehören, von 41,2 auf 55,7 Prozent ansteigen wird. Die UN-Nothilfeorganisation (Ocha) erklärte am Donnerstag, das für den Wiederaufbau kein Geld vorhanden seien. Sie braucht nach eigenen Angaben 582 Millionen Euro, hat aber erst 263 Millionen erhalten.

Lage auf dem Land verzweifelt

Während die nackten Zahlen schockierend genug klingen, macht eine Fahrt durch die verwüsteten Gebiete drastisch klar, dass die neue Armut nicht nur eine unmittelbare und temporäre Folge des Taifuns sein wird. Die Lage ist für den Großteil der ländlichen Bevölkerung, die ihr spärliches Einkommen aus der Agrarwirtschaft bezog, verzweifelt. Seit Generationen konzentrierte sie sich auf den Anbau von Reis und Kokosnüssen, die laut ADB rund 75 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion ausmachten.

Der brutale Sturm aber hat nahezu alle Kokosnusspalmen wie Streichhölzer geknickt. Selbst wenn zügig neue Palmen gepflanzt würden, könnten die ersten Kokosnüsse erst in etwa zehn Jahren geerntet werden. Viele Reisfelder liegen verwaist in der Hitze – die Pflanzsaison endete Mitte Dezember, kurz nach dem Taifun. Das Saatgut war zerstört, Nachschub kam nur spärlich und zu spät.

In der Hauptstadt Manila kennt man die Probleme, und Präsident Benigno S. Aquino wird nicht müde, den Betroffenen Unterstützung zuzusagen. Allerdings müssten nach einem so gewaltigen Sturm wie „Haiyan“, der eine noch nie da gewesene Armutsspirale in Gang zu setzen scheint, massive Aufbauprojekte folgen.

Eine Herkulesaufgabe, die Jahre dauern und Unsummen kosten würde. Dass die Philippinen dieser Aufgabe, selbst mit internationaler Hilfe, gewachsen sind, darf bezweifelt werden. Es wäre das erste Mal, dass in dem so oft von Taifunen heimgesuchten Land ein Wiederaufbau gelingen würde.

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