: Die zwei Helden und ihr Alltag
Von Presserummel, Preisgeld und Problemen: Die taz-Panter-Preisträger Saithan und Sinan
Die Liste der Interviewanfragen ist lang: ZDF, WDR, RTL, Pro7, diverse Zeitungen. Sinan und Saithan, die beiden jugendlichen taz-Panter-Preisträger sind gefragte Helden geworden. Ganz schön anstrengend sei das, meint Saithan (17) und atmet tief durch. „Ein Interview habe ich aber schon abgesagt, das kann nix schaden“, sagt er. Und ergänzt trocken: „Schließlich muss ich ja auch noch zur Schule.“
Gemeinsam mit seinem Freund Sinan (16) hatte Saithan im Rahmen einer Postkartenaktion gegen Zwangsheirat Gesicht gezeigt. „Ehre ist, für die Freiheit meiner Schwester zu kämpfen“, lautete der Slogan. 20.000 Postkarten, auf denen Sinan und Saithan sowie zwei türkische Mädchen im Hintergrund abgebildet waren, wurden deutschlandweit in Schulen und Jugendzentren verteilt. Geld gab es nicht für diesen Einsatz als Fotobotschafter, die beiden Jungen handelten aus Überzeugung.
Den beiden muslimischen Deutschtürken wurde dafür Ende Oktober von einer prominent besetzten Jury der taz-Panter verliehen, der in diesem Jahr zum ersten Mal herausragendes soziales Engagement würdigte. Am Abend der Preisverleihung lobte Sonia Mikich, Leiterin des ARD-Magazins „Monitor“ und Jury-Mitglied, das Handeln von Sinan und Saithan und verglich es mit „einer subjektiven Kulturrevolution“. „Das war schwer für diese ‚ganz normalen Jungs‘, denn das, was sie sagen, gilt in ihrem Umfeld bislang als uncool. Ich hoffe, dass sie Vorbilder werden“, erklärte die Fernsehjournalistin.
Dass es nicht ganz einfach ist, Vorbild und Held zu sein, haben Sinan und Saithan mittlerweile zu spüren bekommen. Plötzlich stehen sie im Mittelpunkt des Interesses, geben Interviews und sind für Fernsehauftritte angefragt. Zu aller Aufregung kam es zu Differenzen mit dem Berliner Mädchentreff „Madonna“, der die Postkartenaktion initiiert hatte und einen Teil des 5.000-Euro-Preisgelds für sich beanspruchte (taz vom 19. November). Eine Forderung, die die Jungen irritierte, denn sie hatten am Abend der Preisverleihung angekündigt, einen Teil ihres Preisgeldes für den Nachdruck der Postkarte in türkischer und arabischer Sprache zu verwenden.
In einem ausführlichen Gespräch mit den Jungen und ihren Vätern wurden jedoch alle Spannungen beseitigt. Der ehemalige taz-Redakteur Eberhard Seidel moderierte die Runde im taz-Pavillon, er ist heute Geschäftsführer von „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. „Ich finde das Projekt an sich sehr gut“, erklärte Saithans Vater. „Aber das Thema ist doch etwas zu groß für Kinder.“ Mit Sinans Vater teilt er die Sorge, den Jungen könnte vielleicht etwas zustoßen. Doch Sinan und Saithan erzählten, dass sie fast nur positive Resonanz aus ihrem Freundeskreis erhalten hätten. Sinan: „Die meisten Kumpels finden die Aktion gut, aber sie hätten sich nicht getraut mitzumachen.“
taz-Chefredakteurin Bascha Mika und Eberhard Seidel lobten den Mut der Jugendlichen und hoben die Besonderheit ihres Einsatzes hervor. Auch bei der Verteilung des Preisgeldes wurde man sich schnell einig: Wie von Sinan und Saithan am Abend der Preisverleihung angekündigt, erhalten der Mädchentreff „Madonna“, die Initiatorin und zwei beteiligte Mädchen zusammen 1.000 Euro. JUTTA HEESS