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Archiv-Artikel

Aktionskunst, Spiel und Dokumentation

VIDEOKUNST Einer Förderpreis-Ausstellung in der Städtischen Galerie Bremen gelingt es, mit lediglich drei ausgestellten Werken eine sehr große Bandbreite der zeitgenössischen Videokunst darzustellen

Manche Daten sind wie Chiffren. Doch die Assoziation kann entlarvend sein

Das Video lebt nicht vom Bild allein. Manchmal ist das laufende Bild auch eher hinderlich – weil ablenkend. Gerade im Video. Die Künstlerin Özlem Sulak hat das Filmische deshalb auf ein absolutes Minimum reduziert. Darum wirkt ihre dokumentarische Arbeit umso eindringlicher.

Die Deutsch-Türkin Sulak aus Hannover und Bremen ist eine von drei PreisträgerInnen des „Videokunst Förderpreis Bremen 2009“. Gerade ist die Auszeichnung des Bremer Filmbüros zum 18. Mal vergeben worden. Hier werden keine fertigen Werke prämiert, sondern Konzepte, die mit dem Preisgeld von insgesamt 5.000 Euro realisiert werden können. Um dann im Folgejahr, an jeweils wechselnden Orten in Bremen ausgestellt zu werden.

„September 12“ ist der Titel von Sulaks Werk. Manche Daten sind wie Chiffren, doch in diesem Fall ist die nahe liegende Assoziation entlarvend. Hier geht es mitnichten um Amerika, um den Folgetag von 9/11, sondern um den türkischen Militärputsch von 1980. Damals verhängte das Militär das Kriegsrecht, verbot alle politischen Parteien, mehrere 100.000 Menschen wurden festgenommen, Hunderte ermordet. Sulak erzählt davon in zwölf Porträts, eine fragmentarische Spurensuche, die doch ein komplexes Bild entstehen lässt: Die Bilder sind minimalistisch, man könnte auch sagen: ohne Aussage. Da werden Besen gebunden, Patiencen gelegt, Socken gestrickt. Derzeit stellt die Städtische Galerie in Bremen das Werk aus.

Das Video lebt nicht vom Bild allein. Und manchmal ist es der Plastik auch näher als dem Film. So wie bei „Second Life Dumpster“, eine Arbeit des Mannheimer „eteam“ um Franziska Lamprecht und Hajoe Moderegger. 2007, als das virtuelle Parallel-Universum „Second Life“ noch großes Thema aller Medien war, kauften sie 4.096 Online-Quadratmeter – um sie als Müllkippe zu betreiben. Nach drei Tagen war sie voll. Und das, obwohl sie im Grunde total überflüssig war.

Das wirft Fragen auf, auch für die Offline-Welt, Fragen nach der Selbstverständlichkeit, mit der wir Müll produzieren und in unser Leben integrieren. Lamprecht und Moderegger haben ihr Video, dass sich nur jenen erschließt, die das Web-Phänomen schon kennen, mit realem Wohlstands-Müll raumgreifend kombiniert. Am Ende steht ein System, das irgendwo zwischen Aktionskunst und Videospiel changiert. Indes die Fragen, die es stellt, auch im wirren Begleittext nicht beantworten kann.

Das Video lebt nicht vom Bild allein, sondern auch von dessen Dekonstruktion, so im „Reich der Tiere“ von Sabrina Müller. Sie formt eine assoziative Bild-Ton-Collage, die dem Chaos näher ist als der Ordnung. „Eine klare künstlerische Position“, wie die Jury fand. Die ist, sagt die Kuratorin, „wie ein Gedicht, das sich nicht reimt“. JAN ZIER

Ausstellung zum Videokunst Förderpreis Bremen: bis 14. Februar, Städtische Galerie Bremen, Buntentorsteinweg 112