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Archiv-Artikel

Speise der Götter

Genusskultur: Über acht Kilogramm Schokolade gönnt sich der Deutsche im Durchschnitt pro Jahr – und greift immer öfter zur teuren Tafel

von Maik Dähling

Es scheint, als würde Christoph Huber Glück verkaufen. Immer wenn eine Frau sein kleines Geschäft in Eppendorf betritt – und Hubers KundInnen sind zu 90 Prozent weiblich – beginnt sie zu lächeln. Dann wandern strahlende Blicke über die Regale, die ausschließlich mit einem Produkt gefüllt sind: Die „Xocolaterie“ ist eins von drei reinen Schokoladengeschäften in Hamburg und Beleg für ein neues Qualitätsbewusstsein bei der braunen Süßigkeit.

Über acht Kilogramm Schokolade gönnt sich der Deutsche im Durchschnitt pro Jahr. Aus der Speise der Götter, wie „Theobroma“ – die griechische Bezeichnung für Kakao – übersetzt heißt, ist längst ein für jedermann erschwingliches Konsumgut geworden. Jeder kennt es, und fast jeder mag es, ob als Brotaufstrich, Getränk oder in Tafelform.

„Trend zum bewussten Genuss nimmt zu“

Eine Schokoladenkultur wie in Frankreich oder Belgien, wo kleine, familienbetriebene Confiserien eine jahrhundertelange Tradition haben, gebe es in Deutschland zwar nicht, bedauert Huber. Doch der Trend zum bewussten Schokoladengenuss nehme auch hier spürbar zu. So genannte Degustationen, bei denen – vergleichbar mit einer Weinprobe – kleine Stückchen edler Schokolade gereicht werden und dann über Schmelz, Knack, Geruch und Abgang philosophiert wird, haben regen Zulauf.

Im Frühjahr will Huber das in seinem Laden auch anbieten. Er hofft, damit noch mehr Menschen für hochwertige Schokolade begeistern zu können. „In Deutschland gibt es zweifellos eine Sparmentalität in Bezug auf Lebensmittel. Im Bereich Schokolade setzt sich aber mehr und mehr ein Qualitätsdenken durch. Zumindest bei Frauen, denn die sind eher die Genießer“, sagt der 42-Jährige. Seine Kundinnen erhofften sich in der Xocolaterie ein Geschmackserlebnis, das ihnen die Tafel aus dem Supermarkt so nicht geben kann. Statt Milka oder Ritter-Sport stehen hier italienische Amedei- oder österreichische Zotter-Tafeln in den Regalen – von Vollmilch bis zu so ausgefallenen Geschmacksrichtungen wie Krokus/Safran und Hanf/Mocca.

Der Unterschied zwischen Edel- und Industrieschokolade liegt nicht nur im Preis, der bis zu acht Euro für eine 50-Gramm-Tafel betragen kann. „In den preiswerten Tafeln ist häufig Kakaobutter durch billigere Fremdfette ersetzt und echte Vanille durch Vanillin“, weiß Huber. Dazu kämen noch diverse Geschmacksverstärker, „so dass vom ursprünglichen Schokoladengeschmack wenig übrig bleibt“.

Geschmacksfrage: „Es geht um die Bohne“

Je höher der Kakaogehalt, desto höher ist die Schokoladenqualität, lautet die Faustformel. Entgegen landläufiger Meinung muss ein hoher Kakaogehalt nicht automatisch einen bitteren Geschmack zur Folge haben. „Es geht um die Bohne“, erklärt Oliver Rohlf, Inhaber von Schokovida in Eppendorf den entscheidenden Unterschied. Die edle Criollo-Kakaobohne beispielsweise enthält mit bis zu 400 Aromastoffen fast doppelt so viel wie die herkömmliche Forastero-Bohne. Sie ist jedoch extrem empfindlich und lässt sich nicht monokulturell anbauen – dementsprechend teuer ist sie auch.

Doch auch hier kommt es auf die Perspektive an. „Im Vergleich zu Wein ist gute Schokolade billig“, sagt Rohlf. Wichtig sei, die Speise der Götter bewusst zu genießen – ein Lernprozess, der laut Rohlf relativ schnell geht. Richtige Chocolatiers sollen sogar in der Lage sein, das Anbaugebiet und den Jahrgang der Kakaobohne zu erschmecken „Wichtig ist, gute Schokolade nicht zu kauen, sondern sie im Mund schmelzen zu lassen“, rät der Experte. Erst dann könnten sich die Aromastoffe richtig entfalten. Und die Angst, nicht mehr vom edlen Naschwerk lassen zu können, ist auch unbegründet. Qualitätsschokolade ist geschmacklich so intensiv, dass die meisten nach zwei, drei Stücken genug haben.

Doch selbst wer sich nicht zügeln kann, muss sich zumindest um seine Figur keine Sorgen machen. „Das Dickmacher-Argument greift bei den hochwertigen Schokoladen nicht. Dick macht nur der zugesetzte Zucker in den Billigtafeln“, erklärt Rohlf. Die reine Kakaobohne dagegen enthält vor allem Eiweiß, Zellulose und Stärke – und nur ein Prozent Zucker.

Hamburger Schokoladengeschäfte: Xocolaterie in Winterhude, Gertigstraße 11; Schokovida in Eppendorf, Hegestraße 33; Choco Monde, Innenstadt, Colonaden 54.„Schokolade macht glücklich!“ verspricht ein Seminar im Speicherstadtmuseum (St. Annenufer 2). In Theorie und Praxis wird hier über Geschichte und Verarbeitung der Kakaobohne informiert; ein Konditormeister führt zudem in die Kunst des Dekorierens und Igelns ein. Die Teilnahme kostet 11 Euro. Die nächsten Termine sind der 22. und 26. Januar, eine rechtzeitige Anmeldung unter ☎ 32 11 91 ist ratsam.