: Demografie oder Demagogie?
betr.: „Die neue Rentenformel: Zahlen + Zahlen + Sterben“, Brennpunkt zum „Rentenloch“, taz vom 3. 12. 05
Eine ganze Generation von Politikern verschiedener Parteizugehörigkeit ist dem neoliberalen Zeitgeist verfallen. Unabsichtlich oder absichtlich werden Mächtige und Reiche begünstigt, Schwache und Arme benachteiligt. Das Konfliktpotenzial zwischen Armen und Reichen wächst bedrohlich, und der Mittelstand muss beiden Schichten Lasten abnehmen, was ihn aufreibt.
Ihre Unfähigkeit oder mangelnde Lauterkeit verstecken diese Politiker hinter der Demografie. Das heißt, sie tun so, als ob alle sozialen Probleme darauf zurückzuführen seien, dass die Menschen älter werden als früher und wegen der „Überalterung“ immer weniger Junge für immer mehr Alte arbeiten müssten. Das ist die Ausrede für den Abbau des Sozialstaates zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und der Profite am jeweiligen Unternehmensstandort, wobei die Rentner die größten Verlierer sind.
In Wahrheit gab es noch nie so viele junge Arbeitslose, die für die Alten arbeiten könnten, wie jetzt. Seit eh und je und überall musste die Generation der Arbeitsfähigen für die Kinder und die Alten sorgen. Und sie können das auch, wenn sie nicht von der Politik daran gehindert werden.
Der jetzigen Generation der Jungen müsste das umso leichter fallen, als sie für weniger Kinder zu sorgen hat als frühere Generationen und sie überdies von vielen Migranten verstärkt wird. Dazu kommt noch, dass die Jungen von heute auf ein höheres Erbe zurückgreifen können als ehemals Junge vor ihnen und dass insgesamt die Arbeitskraft gegenüber dem Technik- und Kapitaleinsatz stark an Bedeutung verloren hat. Die Ausrede der ungünstigen demografischen Entwicklung erweist sich bei näherer Betrachtung als plumpe Demagogie der Starken gegenüber den Schwachen und ist eine Schande. ERICH SCHÄFER, Wien, Österreich