Lendenlahme Ordnungsmacht: Polizei lässt Nazi-Hools gewähren

Nach dem Nordderby zwischen Werder Bremen und dem HSV spazierten vermummte Hooligans an Polizisten vorbei und machten Jagd auf Journalisten und Passanten.

Die Polizei nimmt's locker: Nazi-Hooligans mit Sturmhaube bei der Anreise per Schiff. Bild: Thomas Humboldt

BREMEN taz | Bremen, Nordderby, Werder gegen den HSV. Während sich am Ufer der Weser Fans und Polizisten tummeln, tuckert ein Schiff in Richtung Stadion. An Bord sind 137 Hooligans, Neonazis, Rocker. Es sind die aggressivsten Bremer mit befreundeten Essenern, gewaltsuchend, der harte Kern. Mehrere Dutzend stehen mit grün-weißen Sturmhauben vermummt an Deck.

Nach einer Kontrolle wird die Polizei einige von ihnen unbegleitet laufen lassen, sie werden in der Innenstadt Menschen jagen und Journalisten angehen, sie bespucken und beleidigen – direkt in Rufweite der PolizistInnen. Das geschah Anfang März, die taz berichtete. Am Mittwoch wird Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) der Bremer Innendeputation einen Bericht vorlegen.

Der Einsatz sei „insgesamt positiv zu bewerten“, heißt es darin. Auch zukünftig werde die Polizei gegen „organisierte Hooligan-Aktionen konsequent vorgehen“. 241 Polizisten waren im Einsatz, fast zwei für jeden Hooligan.

Wie „konsequent“ sie vorgegangen sind, ist dem Bericht zu entnehmen: „Es wurde keine Person in Gewahrsam genommen“ und es wurden „keine Platzverweise ausgesprochen“. Denn: „Die Annahme, dass die Personen [...] Straftaten begehen werden, wäre aufgrund der situationsbezogenen Erkenntnislage nicht gerechtfertigt gewesen.“

In Bremen gibt es eine starke Misch-Szene von Neonazis und Hooligans.

Bis zu 85 Hooligans gibt es in Bremen insgesamt. Laut Senat werden alle als "rechtsextremistisch beeinflusst" gezählt.

Ein Video zeigt einen Teil der Bremer Hooligans, wie sie bei anderer Gelegenheit in Hakenkreuz-T-Shirts auf Gegner einprügeln.

Die "Standarte Bremen" hat als Hooligan-Truppe einen harten Kern von etwa 40 Mitgliedern. Als Anführer gelten der ehemalige NPD-Kader Henrik Ostendorf und sein Bruder Hannes, Sänger der Rechtsrock-Band "Kategorie C".

Bei "Nordsturm Brema" sind etwa 30 Hooligans organisiert, weitere 15 bei den "City Warriors". Daneben gibt es noch die neonazistischen "Farge Ultras".

Durchsucht wurden die Hooligans und die Polizei hat dabei laut Bericht Bengalo-Fackeln, Böller, einen Zahnschutz und Reizgas gefunden. Und elf der Sturmmasken. Die allerdings wurden nicht als Beweise, sondern „als Fundsachen gesichert“.

Tatsächlich störten sich die Polizisten überhaupt nicht an der Vermummung der Hooligans, die sich angeblich vor Fotos von Journalisten schützen wollten. Ein Video, das der taz vorliegt, zeigt einen der Männer, wie er seelenruhig mit Sturmhaube an mehreren Grüppchen von Polizisten vorbeimarschiert. Mehrere Hooligans stehen und sitzen mit Sturmhauben an Deck, direkt neben den Polizisten – ganz unbekümmert.

Wer genau an Bord war, weiß die Polizei nicht: Nur bei 43 der 137 Hooligans wurden die Personalien überprüft. Allein unter ihnen wurden dann 19 als Gewalt-suchende „Kategorie C“-Fans eingestuft. Zehn der 43 waren als „Gewalttäter Sport“ erfasst, sieben hätten „Bezüge zu rechtsaffinen Gruppen“.

Fotos zeigen den Sänger der Rechtsrock Band „Kategorie C“, Hannes Ostendorf, an Bord. Ebenso Daniel Fürstenberg, ehemaliger NPD-Kader aus dem Bremer Umland. Auch Stefan A., eine Bremer Rotlicht-Größe mit Verbindungen zu Hells-Angels und Neonazis, ist an Deck.

Laut Bericht seien nach der Kontrolle etwa 40 Personen losgezogen und wurden „durch Einsatzkräfte begleitet, bis sie sich im Innenstadtbereich zerstreuten“ – sie waren also noch höchstens 50 Meter weit im Blick.

Videos zeigen, wie die Hooligans loslaufen und dabei mit Beleidigungen der anwesenden Journalisten noch mal richtig loslegen: „Dreckschlampe“ rufen sie in Richtung der Journalistin Andrea Röpke, die oberhalb des Bootes an einem Geländer steht. „Fotze, da oben, ich hol dich gleich darunter“, ruft einer. Alles unmittelbar vor den Polizisten. Röpke spricht die Beamten mehrfach an, weist sich noch einmal als Journalistin aus. Die Polizisten reagieren nicht.

Wenig später umzingeln ein paar der Hooligans Röpke und einen weiteren Journalisten, bespucken und beleidigen sie und versuchen, sie in eine Sackgasse abzudrängen. Polizisten hatten sie erst noch geschützt, waren dann aber wieder abgezogen.

Nur, weil Röpkes Kollege die wenig entfernt stehenden Polizisten zur Hilfe ruft, können die beiden Journalisten mit einem Taxi fliehen. Mehrere Zeugen berichten der taz, wie sie vor den Hooligans fliehen müssen oder diese gesehen haben, wie sie Passanten durch die Innenstadt jagten.

Später gibt ein taz.de-Kommentator, der sich als Hannes Ostendorf zu erkennen gibt, zu: Es seien „nicht harmlose Passanten gejagt“ worden, „sondern bekannte Fotografen“.

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