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Archiv-Artikel

„Neue Arbeit braucht das Land“

START-UPS Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt ist ein Muss. Doch fehlende Förderangebote von Arbeitsagenturen erschweren gerade ExistenzgründerInnen die Aussicht auf Arbeit

VON ANSGAR SKODA

Obwohl Bundeskanzlerin Merkel in den letzten Wochen medienwirksam Berliner Start-ups besuchte, kürzt die Bundesregierung zunehmend Zuschüsse und schwächt die Infrastruktur für arbeitslose Existenzgründer. So bleiben Fördergelder in Milliardenhöhe ungenutzt, weil Eingliederungshilfen für Langzeitarbeitslose einfach nicht aus den Subventionstöpfen abgerufen werden. Andreas Krüger, Experte für Unternehmensfragen und Geschäftsführer der Belius GmbH, findet die deutsche Arbeitsmarktpolitik paradox und diskutiert auf dem taz.lab über die Notwendigkeit und Möglichkeit von Förderangeboten.

Gerade in Berlin, wo die Arbeitslosenquote bei 12,3 Prozent liegt, hinterfragen mehr und mehr BürgerInnen die Einsparungen und ungenutzten Gelder. Krüger meint, es reiche nicht, dass die politische Opposition das Problem der sozialen Spaltung im Land bearbeitet. Vielmehr bestünde die Notwendigkeit darin, das Betreuungskonzept der Agentur für Arbeit generell zu überdenken. Der Druck, unter dem sowohl Arbeitsvermittler als auch Empfänger von Arbeitslosengeld stehen, müsse aufgelöst werden: „Die Agentur für Arbeit sollte weniger verwalten und mehr streetworkermäßig begleiten oder coachen. Spezifisch ein auf den Klienten gemünztes Einzelcoaching fehlt als Betreuungsangebot.“

So hält Krüger die diesjährige Mobilisierungskampagne der Agentur für Arbeit für überfällig. Bei dieser Kampagne sollen Hartz-IV-Empfänger im Alter von 25 bis 40 Jahren eine zweite Ausbildungschance bekommen. In dieser Altersgruppe eine Qualifikation zu beginnen, sei nicht außergewöhnlich, da lineare Berufsbiografien heutzutage selten sind. Aktuellen Angaben der Industrie- und Handelskammer Berlin zufolge liegt das Durchschnittsalter eines Auszubildenden bei 23 Jahren. Berufseinsteiger mit Lebenserfahrung seien oft motivierter, so Krüger.

Agenturen wie die Bürogemeinschaft „Betahaus“ machen vor, dass durch Co-Working und eine angenehme Arbeitsatmosphäre arbeitssuchende Menschen mobilisiert werden können. Vermittlung und Beratung durch eine wöchentliche Sprechstunde helfen, eigene Arbeitswelten und Geschäftsideen zu erschließen. Neben Themen wie Mobilisierung, Eingliederung und Existenzgründung für Arbeitssuchende geht es auf dem Panel des taz.lab, das die Zukunft der Arbeit debattiert, auch um die grundsätzliche Flexibilisierung des Arbeitsmarktes.

Der Arbeitsmarkt wandelt sich. Arbeitgeberzusammenschlüsse teilen sich Arbeitnehmer, und große Konzerne lockern ihre Hierarchieebenen und fördern so selbstständige Neugründungen früherer Mitarbeiter. Ortsungebundene Heimarbeit wird öfter möglich.

Eine weitere Frage auf diesem Panel wird sein, für welche Regionen und abgefragte Qualifikationen ein Mindeststundenlohn von 8,50 Euro eigentlich gerecht und berechenbar ist. Neben diversen Ansätzen, wie die Arbeitsmarktpolitik insbesondere in Deutschland zu bewerten ist, soll das Podium Einblicke in neue Arbeitsmarktmethoden durch „Best Practice“-Beispiele bringen – die etwa in anderen Ländern Europas, wie den Niederlanden, erprobt wurden.

Andreas Krüger moderiert beim taz.lab das Panel „Wir nennen es: Neue Arbeit – Euphorie oder Prekariat?“ und diskutiert mit Holm Friebe (Autor), Lisa Zoth (The Dark Horse), Madeleine Gummer von Mohl (Betahaus Berlin), Marc Piesbergen (Design Reaktor Berlin) und Sebastian Olma (Serendipity Lab) über Existenzgründungen