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Archiv-Artikel

Der Präsident spielt mit dem Feuer

Nach den verbalen Angriffen von Irans Staatschef auf Israel wächst auch in Iran selbst der Unmut. Laut Gerüchten planen einige moderate Konservative den Sturz der Regierung

BERLIN taz ■ Die jüngsten Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad gegen Israel haben nicht nur außerhalb Irans Empörung und Entsetzen ausgelöst, sondern auch im Iran Zweifel verstärkt, ob der Mann, der durch populistische Parolen die Präsidentschaftswahlen im vergangenen Juli gewonnen hat, in der Lage ist, ein solch hohes Amt auszuüben.

Ahmadinedschad hatte das Ausmaß der Ermordung von Millionen Juden während der Nazi-Zeit in Zweifel gezogen und vorgeschlagen, den Staat Israel in Europa, Deutschland oder Österreich anzusiedeln. Die US-Regierung bezeichnete die Äußerungen als „himmelschreiend und verwerflich“, UN-Generalsekretär Kofi Annan zeigte sich „schockiert“ und der Weltsicherheitsrat verurteilte die Aussagen auf das Schärfste. Berlin und Wien bestellten den iranischen Botschafter ein.

Im Iran selbst fragt man sich, was den Präsidenten dazu treibt, in dieser für den Iran gefährlichen Situation immer weiter die Stimmung anzuheizen. Man habe den Eindruck, als wolle Ahmadinedschad keinen Versuch auslassen, um dem Land zu schaden, sagte ein Diplomat. Eine bessere psychologische Vorbereitung für einen möglichen militärischen Angriff auf Iran hätte man nicht liefern können.

In der Tat hat Ahmadinedschad seit seinem Amtsantritt im August nicht nur außenpolitisch, sondern auch innenpolitisch viel Unheil angerichtet. Seine verheerende Personalpolitik, die Neubesetzung der höchsten Staatsämter mit seinen ehemaligen Kampfgefährten bei den Revolutionswächtern und aus Kreisen der Geheimdienste, seine folgenschweren populistischen Wirtschaftsmaßnahmen, die Verstärkung der Repression und Zensur gegen Andersdenkende haben zu einer großen Verunsicherung im Land geführt.

Die Teheraner Börse liegt seit Monaten brach, die Kapitalflucht ins Ausland hat rapide zugenommen und Investitionen aus dem Ausland haben seit der Wahl Ahmadinedschads nicht mehr stattgefunden. All dies hat dazu geführt, dass die Kritik gegen die neue Regierung immer lauter wird – vor allem im Lager der Konservativen, zu dem auch Ahmadinedschad gehört.

Selbst im Parlament, in dem die Konservativen die absolute Mehrheit haben, wurde der Regierungschef immer wieder scharf kritisiert, seine Ministervorschläge mehrmals zurückgewiesen. Der konservative Abgeordnete Emad Forugh warf Ahmadinedschad Alleingang und Populismus vor. „Der Regierungschef merkt nicht, dass er das Volk spaltet und das Land großen Gefahren aussetzt.“

Die Stellungnahmen und Aktivitäten der Regierung haben das konservative Lager gespalten. Der Traum von einem Machtmonopol scheint beendet, bevor er begonnen hat. Gerüchte besagen, dass moderate Konservative, die noch im Hintergrund einige Fäden ziehen, den Sturz der Regierung planen. Der Machtkampf läuft im Iran auf Hochtouren. Ahmadinedschad bleibt offenbar kein anderer Ausweg als die Flucht nach vorn – eine Politik des Alles-oder-nichts. Seine einzige Waffe sind die Massen, die ihn gewählt haben, die Armen, denen er Wohlstand versprochen hat. Er will sie bei der Stange halten und für den Ernstfall mobilisieren. Er bezichtigt alteingesessene Politiker der Korruption und Eigensucht, schürt Hass gegen den Westen, allen voran gegen die USA und Israel und präsentiert sich als Retter des Islam und unnachgiebiger Verfechter der Gerechtigkeit. Es ist ein riskantes Spiel, das bald zu Ende sein könnte.

BAHMAN NIRUMAND