Matthias Güldner über Beamtenbesoldung: „Die Schere geht auseinander“

Der Fraktionschef der Bremer Grünen Matthias Güldner über den Versuch, die Beamtenbesoldung in Bremen sozial zu staffeln.

Hängt schon das letzte Hemd auf: Beamter protestiert gegen die Besoldungsregelung. Bild: dpa

taz: Herr Güldner, kassiert das Urteil des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichts auch Bremens Beamtenbesoldungs-Ordnung?

Matthias Güldner: Unmittelbar nicht: Das Urteil gilt ja nur in Nordrhein-Westfalen. Relevant ist es natürlich schon, weil wir uns eng an die dortige Regelung angelehnt haben. Wenn diese von einem Landesverfassungsgericht als grundgesetzwidrig eingestuft wird, können wir das nicht ignorieren.

Sprich, der Versuch, die Beamtenbesoldung zu staffeln, war ein Fehler?

Die Kritik daran entbehrt nicht einer gewissen Skurrilität: Die Gewerkschaften haben sich ja die soziale Gerechtigkeit auf die Fahnen geschrieben. Trotzdem kritisieren sie uns dafür, dass wir in dieser Besoldungsrunde die hohen Einkommen nicht, die mittleren nur mittel und die geringen stark angehoben haben?

Sie haben den Abstand zwischen den Besoldungsstufen verringert?

Das war die Idee, und die wird angegriffen. Was man bei dieser Kritik aber vergisst, ist, dass bei allen prozentualen Erhöhungen der Vergangenheit, die oberen Besoldungsgruppen viel mehr erhalten haben als die unteren.

Sie meinen in absoluten Zahlen?

Ja, der Betrag, der bei jedem auf dem Konto erscheint. Die Schere geht da immer weiter auseinander, seit mehr als 60 Jahren. Jetzt wird einmal der Versuch unternommen, diesen Automatismus zu beenden und die Erhöhung nach sozialen Kriterien zu staffeln. Und dann soll schon das Abstandgebot verletzt sein.

Infolge der Föderalismusreform müssen die Länder die früher bundeseinheitliche Beamtenbesoldung seit 2006 teilweise selbst festlegen. Sie orientieren sich dabei an den Tarifergebnissen des öffentlichen Dienstes.

Das Bremische Beamten-Besoldungs und Versorgungs-Anpassungsgesetz (BremBBVAnpG) von 2013 hat für Beamte der Besoldungsstufen bis A 10 die Grundgehaltssätze um 2,65 und die Amtszulagen um 2,95 Prozent erhöht. Für Beamte von A 11 bis A 12 a stiegen beide nur um je ein Prozent, für höher besoldete gar nicht. Das Haushaltsnotlageland erhoffte sich davon Einsparungen in Höhe von 60 Millionen Euro.

Vorbild war Nordrhein-Westfalens BesVersAnpG 2013/2014, das nun vom Landesverfassungsgericht in Münster mit Urteil vom 1. 7. kassiert wurde (VerfGH 21/13).

Laut diesem kann der Gesetzgeber zwar "die Bezüge kürzen". Aber er dürfe bei einem Plus von 5,6 Prozent für die niederen Besoldungsgruppen "nicht schon von A 13 an auf jede Erhöhung verzichten". Er hätte stattdessen "für gleitende Übergänge sorgen müssen". Das sei, so die Begründung, "evident".

Als "verfassungsrechtlich bedenklich" wird eine "auf Dauer angelegte Verringerung der Abstände zwischen den Besoldungsgruppen" eingestuft.

Das ist ungerecht?

Also ich persönlich kann in dieser Frage das Urteil überhaupt nicht nachvollziehen.

Der DGB offenbar schon.

Da darf man nicht alle über einen Kamm scheren. In den Gewerkschaften wird diese Auseinandersetzung ja geführt, man versucht, sie bei Tarifverhandlungen mit Einmalzahlungen und Ähnlichem zu korrigieren.

53, Politologe, promovierte 1995 mit einer Dissertation über Probleme des Übergangs vom sozialistischen zum marktorientierten Gesundheitssystem in Vietnam, Vorsitzender der Bremer Grünen-Fraktion seit 2007.

Bremens DGB-Chefin Anette Düring begrüßt das Urteil, moniert einen „evidenten Verstoß“ gegen das Alimentationsprinzip und fordert, das Land möge den schleunigst beseitigen.

Natürlich kann ich nachvollziehen, dass eine Gewerkschaftsvorsitzende gegen Nullrunden ist, egal für wen. Aber zu sagen, wir brauchen immer nur prozentuale Erhöhungen, die dann bei den oberen Gehaltsgruppen viel stärker durchschlagen als bei Geringverdienern, ist keine sozial verantwortliche Position.

Und nach der suchen Sie, trotz des NRW-Urteils?

Eine Interpretation, nach der alles an diesem Besoldungsgesetz verfassungswidrig wäre, lässt der Urteilstext nicht zu. In etlichen Passagen wird auf Ermessens und Gestaltungsspielräume der Regierung hingewiesen.

Bloß ohne klare Kriterien?

Das ist in der Tat eine Schwierigkeit. Die RichterInnen rekurrieren immer wieder auf die Größe der Mindest und das Problem einer möglichen Über-Alimentation – ohne sie zu definieren: Wie wollen Sie da eine eventuelle Über-Alimentation überhaupt feststellen? Hier bedarf es einer weiteren Auslegung des Urteils, um zu klären, was die RichterInnen uns damit eigentlich sagen wollten.

Naja, doch wohl, dass die Mindest-Alimentation unterschritten wurde…

Nein, das nun an keiner Stelle. Das Gericht hält nur für problematisch, dass der Abstand zwischen den Gering und Spitzenverdienern „signifikant verringert“ wurde.

Also, dass der kleine Wachtmeister den Ober-RichterInnen und ProfessorInnen, die solche Urteile schreiben, besoldungstechnisch zu nahe rückt. Ist es nicht bedenklich, dass da Betroffene Recht sprechen?

Dazu, dass RichterInnen da auch in eigener Sache entscheiden, sehe ich keine vernünftige Alternative. Umso wichtiger ist es aber, dass sie sich ihrer eigenen Betroffenheit bewusst sind – und im Interesse des gesamten Volkes urteilen.

Akut wird diese Frage durch den Trend, auch noch Abgeordneten-Diäten an die Besoldungsordnungen zu koppeln, siehe das //www.ndr.de/info/Staatsrechtler-von-Arnim-zum-Bundestags-Diaetengesetz,audio207718.html:Bundesrichter-Bundestag-Modell. Wäre das der finanzielle Ausdruck der Tendenz zur Elitendemokratie, in der die Gewaltenteilung genau dann aussetzt, wenn Spitzenbeamte, Abgeordnete und Richter über die eigenen Bezüge befinden?

Da bin ich persönlich zumindest froh, dass wir in Bremen auf eine //www.ndr.de/info/Staatsrechtler-von-Arnim-zum-Bundestags-Diaetengesetz,audio207718.html:solche automatische Verknüpfung verzichtet haben. Hier legt die Bürgerschaft die Diäten selbst fest, unter den kritischen Blicken der Öffentlichkeit. Und aufgrund unseres Vorgehens bei der Beamtenbesoldung haben wir entschieden, für die zwei fraglichen Jahre auf eine Erhöhung zu verzichten, vollständig und für alle Abgeordneten.

Also gibt’s jetzt Nachschlag für alle?

Nein, die Regelung bleibt bestehen. Und zwar ganz egal, wie unsere Reaktion aufs nordrhein-westfälische Urteil aussehen wird.

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