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Archiv-Artikel

Krebs und Infarkt

Auch die Firmen Bayer und Schering sorgen mit großem Aufwand für den Erfolg fragwürdiger Produkte

Von UWI

BERLIN taz ■ Niemand sollte sich Illusionen darüber machen, wozu Pharmaunternehmen imstande sind, wenn sie ein Medikament in den Markt drücken oder dort halten wollen. Allein seit dem Jahr 2000 sind neben dem Vioxx-Skandal noch zwei andere Versuche bekannt geworden, die Pillen schluckende Öffentlichkeit über tödliche Nebenwirkungen verkaufsstarker Mittel zu täuschen.

Mitte 2001 musste der Bayer-Konzern den Blutfettsenker „Lipobay“ – in den USA „Baycol“ – weltweit vom Markt nehmen: 52 Todesfälle waren ruchbar geworden. Das Mittel, von Millionen zumeist Übergewichtigen konsumiert, hat wahrscheinlich in tausenden von Fällen Muskelzerfall verursacht. In den USA sind bis heute noch über 5.000 Klagen gegen Bayer anhängig. Bis zum Frühjahr dieses Jahres hat das Unternehmen nach eigenen Angaben 1,113 Milliarden Dollar für außergerichtliche Vergleiche gezahlt.

Lipobay/Baycol hatte sich bereits früh als gefährlich herausgestellt – die US-Zulassungsbehörde FDA hatte sogar davor gewarnt. Doch Bayer machte das hochdosierte Mittel ab 2000 binnen kurzem mit gigantischem Werbeaufwand zu seinem umsatzstärksten Medikament – bis August 2001. Inzwischen hat sich die Pharmasparte des Konzerns übrigens sehr gut erholt. Erst vergangene Woche sprach Vorstandschef Werner Wenning von einer glänzenden Zukunft: „Unsere Pipeline hat das Potenzial, diesem Geschäft eine neue Dimension zu geben“.

Ähnliche Ausmaße wie Lipobay hatte die Geschichte der Hormonersatztherapie. Im Sommer 2002 wurde eine Langzeitstudie an 17.000 Frauen abgebrochen, weil sich herausstellte, dass die Hormonvergabe an ältere Frauen deren Brustkrebs-Risiko stark erhöhte und außerdem Herzinfarkte verursachte.

Hormonpräparate wurden zu der Zeit allein in Deutschland von rund der Hälfte aller über 50-jährigen Frauen geschluckt. Jedoch sorgte etwa der Schering-Konzern dafür, dass die Kundinnen nicht unnötig erschraken: Gemeinsam mit dem vermeintlich unabhängigen Berufsverband der Frauenärzte wurden an 11.000 Gynäkologen Faxe verschickt, in denen fälschlich nahe gelegt wurde, die US-Studie habe mit der deutschen Hormonvergabepraxis nichts zu tun.

Schering hat an der einträglichen Sparte festgehalten: Ab Mitte 2006 darf der Konzern auch in den USA sein jüngstes Hormonersatzpräparat Angeliq verkaufen. Umsatzziel: weltweit 250 Millionen Euro. UWI