GANZ OHR : Die Geisterstimme
Der Gast klingelte und hörte plötzlich eine Stimme. Als werde eine Radiosendung auf Kurzwelle übertragen. Aus einem fernen Land, Indonesien, vielleicht, so hörte sich das an. Der Gast lauschte verdutzt.
Er drückte erneut auf die Klingel. Da summte das Schloss, der Gast trat ins Treppenhaus. H. & N. hatten die Wohnungstür angelehnt. Als der Gast eintrat, fing das Paar an, ein Geburtstagsständchen zu singen. Zweistimmig, laut, ausgelassen. Als H. & N. fertig waren und gute Wünsche ausgesprochen, wurde es still. Aber nicht totenstill. Da hörten es alle. „Ich habe die Stimme eben schon über eure Gegensprechanlage wahrgenommen“, sagte der Gast. „Habt ihr das Radio an?“ N. schaute verblüfft und informierte den Gast, dass sie kein Radio besäßen. „Was zum Teufel ist das?“, fragte H. verdutzt. „Das fragt man sich“, antwortete der Gast.
H. & N. waren erst vor einigen Tagen in dieses Mietshaus in Pankow eingezogen. Sie wirkten irritiert. N. fummelte an der Gegensprechanlage herum und lauschte am Hörer. „Big Brother is watching us“, sagte H. nicht amüsiert. Das Geräusch schien sich zu bewegen. Alle waren ganz Ohr. Kollektiv untersuchten sie den WLAN-Router. Der Kasten blinkte schön grün und gab, wie es sich gehörte, keinen Mucks von sich. H. & N. und der Gast tauschten beunruhigte Blicke aus. Alle dachten an die Stasi. „Kann man Abhöranlagen eigentlich auch zum Beschallen gebrauchen?“, fragte N.
Der Gast legt seine Tasche ab und lief in die Küche. H. ging ins Wohnzimmer. N. blieb im Flur stehen. Plötzlich begann N. lauthals zu lachen und bemerkte: „Die Stimme kommt aus deiner Tasche.“ – „Was für ein Unsinn!“, sagte der Gast. Aber eindeutig saß dort des Rätsels Lösung. In den Untiefen der Tasche fand der Gast das Geräusch sofort. Ein Aufnahmegerät. Es spielte selbständig ein Interview ab. GUNDA SCHWANTJE