: Jetzt darf der Chef wirklich ran
VON SEBASTIAN PUSCHNER
Klaus Wowereit war gerade in Chicago, er hat dort den prominenten Bürgermeister Rahm Emanuel getroffen und um Touristen und Investoren für Berlin geworben. Es wird den Regierenden nicht freuen, sich nach diesem Ausflug in die große weite Welt jetzt wieder mit Mauerresten und Bürgerprotesten auseinandersetzen zu müssen. Doch das sollte er. Denn Wowereit wurde gerade die Möglichkeit gegeben, sich wirklich als Retter der East Side Gallery zu inszenieren.
Die Bereitschaft von Investor Hinkel, sein Luxuswohnhaus an anderer Stelle zu bauen, dürfte kaum ein Bluff sein. 20 von 36 Wohnungen will Hinkel schon verkauft haben – kaum vorstellbar, dass er nicht mit den Käufern Rücksprache gehalten hat, bevor er seinen Sinneswandel verkündete. Und durchaus möglich, dass es jenen Käufern ganz recht ist, ihren Spreeblick vom Balkon an einem Ort zu genießen, der weniger im öffentlichen Fokus steht als die East Side Gallery.
Die „Szene“ wäre nah
Die Behala-Flächen im Osthafen bieten sich dafür an. Sie stehen zum Verkauf und gehören einem zu 100 Prozent landeseigenen Unternehmen, außerdem steht dort kein Mauerdenkmal. Der Traum vom grünen, öffentlichen Ufer ist nach der Ansiedlung von Medien- und Modefirmen längst ausgeträumt. Attraktiv ist die Lage allemal: Der Treptower Park ist nicht weit, ebenso wenig wie die von Hinkel als Verkaufsargument angeführte „Szene“ – in diesem Fall die zahlreichen Clubs am Ostkreuz.
Wowereit kann den Konflikt jetzt elegant lösen, der Landeshaushalt würde es verkraften. Und kein Tourist, kein Investor, kein Bürger würde es dem Regierenden verübeln.