: Ja, nein, vielleicht? Eine Frage der Ehe
USA Zeitweise unter Gelächter verhandelt der oberste Gerichtshof des Landes darüber, ob Homo-Ehe-Verbote verfassungswidrig sind. Eine Entscheidung wird im Juni erwartet
AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN
Als Richterin Elena Kagan das Fortpflanzungsargument persifliert, bricht Gelächter im obersten Gericht der USA aus. „Ein Bundesstaat, der die Fortpflanzung als Schwerpunkt der Ehe betrachtet, müsste Paaren, in denen sowohl der Mann als auch die Frau über 55 sind, die Lizenz zum Heiraten verweigern“, sagt sie: „Wäre das verfassungsgemäß?“
Anwalt Charles Cooper antwortet der Richterin verdutzt: „Nein, Euer Ehren, das wäre nicht verfassungsgemäß.“ Kagan fährt fort: „Aber wenn Sie über 55 sind, dienen Sie nicht dem Interesse der Regierung auf Fortpflanzung durch Ehe. Wieso also wäre dieser Fall anders?“
Es geht um die gleichgeschlechtliche Ehe. Nach jahrelanger Debatte in zahlreichen Bundesstaaten und vor Gerichten unterer Instanzen hat sie am Dienstag den Weg bis in das oberste Gericht der USA geschafft. Es ist der erste von zwei öffentlichen Verhandlungstagen. Und nachdem sowohl der Präsident der USA, als auch die Exaußenministerin, als auch ein großer Teil der Öffentlichkeit sich zugunsten der gleichgeschlechtlichen Ehe ausgesprochen haben, ist jetzt die Reihe an den neun obersten RichterInnen des Landes.
An den zwei Verhandlungstagen liegen ihnen zwei Fälle vor. Am Dienstag ging es darum, ob Kalifornien verfassungsgemäß vorgegangen ist. Dort war die gleichgeschlechtliche Ehe ein paar Monate im Jahr 2008 legal – bis sie im November jenes Jahres per Referendum wieder verboten wurde. Am Mittwoch stand dann die Frage an, ob ein Bundesgesetz aus dem Jahr 1996 verfassungsgemäß ist. Das „Doma“ (Defense of Marriage Act) bezeichnet die Ehe als eine „Verbindung von einem Mann und einer Frau“.
An der Art, wie die neun RichterInnen ihre Fragen und Bemerkungen formulieren, ist erkennbar, dass die öffentliche Debatte über die Gleichstellung von Lesben und Schwulen auch an ihnen nicht spurlos vorübergegangen ist. Doch zugleich machen mehrere RichterInnen deutlich, dass sie unglücklich darüber sind, dass dieses Verfahren bei ihnen gelandet ist. Zuletzt hat sich das oberste Gericht 1967 mit dem Recht auf Heirat befasst. Es ging um die – damals in mehreren Bundesstaaten verbotene – Ehe zwischen Weißen und Schwarzen. Das oberste Gericht schaffte das Verbot ab. Und überließ seither die weitere Debatte über Eheschließung den Bundesstaaten.
Zuletzt hat sich dabei in Sachen gleichgeschlechtliche Ehe eine Schere geöffnet. Während zehn Bundesstaaten die gleichgeschlechtliche Ehe gestatten, gibt es in den übrigen Bundesstaaten ganz unterschiedliche Regelungen gegen sie. 17 Bundesstaaten nutzen die ganze Wucht ihrer Gesetze. Sie haben in ihre Verfassungen hineingeschrieben, dass sie weder zivile Partnerschaften, noch gleichgeschlechtliche Ehen dulden und die Ehe eine Sache von Mann und Frau sei.
„Kann unsere Entscheidung nur auf Kalifornien begrenzt werden?“, fragt die von Präsident Obama ernannte Richterin Sonia Sotomayor. Und der von Präsident George Bush ernannte Richter Samuel Alito will wissen: „Warum sollen wir entscheiden? Und nicht das Volk?“ Selbst die BefürworterInnen der gleichgeschlechtlichen Ehe aus Kalifornien erklären, dass es ihnen um den Fall ihres Bundesstaats geht. Es ist ein heikles, ein umstrittenes Thema in den USA. Sie wollen nichts überstürzen.
Für die andere Seite mahnt Cooper zur Langsamkeit. Der Anwalt verteidigt „Proposition 8“, die gegenwärtig in der kalifornischen Verfassung die gleichgeschlechtliche Ehe verbietet. Auch er vermeidet sorgfältig jedes Vorurteil gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen. Und lobt schwule und lesbische Elternpaare, die allein in Kalifornien gegenwärtig rund 40.000 Kinder großziehen. Aber er spricht gegen das Recht auf Eheschließung. Wegen der Fortpflanzung. Und weil unklar sei, welche Folgen die gleichgeschlechtliche Ehe „in der realen Welt“ haben werde – sowohl für die „traditionelle Ehe“ als auch für die Gesellschaft.
Am Abend des ersten Verhandlungstags vermag keine Seite zu sagen, wie das Gericht – voraussichtlich im Juni – entscheiden wird.