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Archiv-Artikel

Proteste aus Angst

VON STEPHAN KOSCH

Rund 28.000 Beschäftigte der Deutschen Telekom AG haben gestern gegen die geplanten Stellenstreichungen protestiert. Allein in Bonn vor der Telekom-Hauptverwaltung, wo gestern der Aufsichtsrat über den Abbau von 32.000 Stellen diskutierte, waren es nach Gewerkschaftsangaben 6.000. Sie überreichten Vorstand und Aufsichtsrat eine Liste mit 50.000 Protest-Unterschriften.

Bis Redaktionsschluss stand noch nicht fest, ob der Aufsichtsrat der Deutschen Telekom AG tatsächlich den Kürzungen zustimmte. Es galt aber als wahrscheinlich, dass das Kontrollgremium die Pläne des Vorstands absegnet. Denn die Kapitalseite hat auch in diesem Aufsichtsrat die Mehrheit.

Deshalb also mobilisierte die Gewerkschaft den Protest. In Berlin gingen etwa 700 Mitarbeiter auf die Straße und hofften darauf, dass der Bund als einer der Großaktionäre seinen Einfluss geltend macht.

Doch der hält sich bedeckt. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hatte die Pläne bislang zwar mit Sorge und Bedauern kommentiert. Gleichzeitig hatte er aber im November gesagt, es könnten keine Arbeitsplätze künstlich gehalten werden, die nicht mehr gebraucht werden.

Und das ist zumindest in der Festnetzsparte der Fall, meint der Vorstand der Telekom. Deshalb sollen hier bis zu 20.000 Stellen wegfallen. Gerade in Deutschland habe sich der Wettbewerb in den vergangenen Jahren noch einmal deutlich verschärft, begründet Ricke. Viele Probleme würden derzeit überdeckt. „Wir verlieren derzeit allein 100.000 Kundenanschlüsse pro Monat an die Konkurrenz, dazu kommen noch Call by Call, Preselection und, und, und …“ Der Regulierer tue ein Übriges, dass die Telekom Marktanteile verliere. Deshalb will die Telekom in den kommenden Jahren viel Geld für Marketing ausgeben und Marktanteile zurückgewinnen – auch wenn das nicht sofort Gewinn bringt.

In der Tat, die Konkurrenten des früheren Monopolisten rüsten auf. Viele Unternehmen, die früher nur als Internetprovider auftraten, bieten mittlerweile Telefonieren über den Computer an – meist zu deutlich günstigeren Konditionen als die Telekom. Und auch aus dem Kabelnetz droht dem „rosa Riesen“ in Bonn Gefahr. Deutschlands größter Kabelnetzbetreiber Kabel Deutschland wurde durch den US-Finanzinvestor Providence übernommen. Und der hat bereits angekündigt, dass bis 2008 die meisten der 15,3 Millionen Kunden in 13 Bundesländern über das Kabelnetz nicht nur Fernsehen gucken, sondern auch telefonieren und im Internet surfen können. Auf all das muss sich die Telekom einstellen, auch wenn das Unternehmen im laufenden Jahr einen Rekordgewinn erzielen dürfte, meint Ricke. Deshalb will die Telekom nicht nur ein neues Glasfasernetz in Deutschland bauen, sondern auch 3,3 Milliarden Euro für Abfindungen und Vorruhestandszahlungen bezahlen.

Franz Treml, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender und Ver.di-Vizechef, hält das für den falschen Weg. Schon jetzt müssten die Beschäftigten immer mehr arbeiten, weil Stellen fehlten. Qualität und Service seien nicht mit weniger Mitarbeitern aufrechtzuerhalten, sagte Treml gestern. Die Telekom solle die für den Arbeitsplatzabbau vorgesehenen Milliarden besser in eine Serviceoffensive stecken. Die Kunden wechselten auch, weil die Telekom in diesem Bereich Defizite aufweise.

Treml drohte dem Vorstand zwar noch nicht direkt mit Streik, kündigte aber verschärfte Proteste an, falls das Management an seinen Plänen festhalte. „Wir können erheblich zulegen, wenn es sein muss.“ Die Aktionen der Gewerkschaft könnten, wenn nötig, über einen längeren Zeitraum gehen und dann auch einen anderen Charakter annehmen. „Auch in den Wintermonaten kann es verdammt heiß werden“, sagte der Gewerkschaftsfunktionär.