3sat feiert 30. Geburtstag: Die öffentlich-rechtliche Bad Bank
Seit dem 1. Dezember 1984 liefert 3sat anspruchsvolles Kultur- und Wissenschaftsfernsehen. Für die Zukunft sollen die digitalen Formate ausgebaut werden.
MAINZ taz | Der Lerchenberg. Hier thront das ZDF. Ein Hochhaus, ein Redaktionsgebäude, ein Ufo-artiges rundes wie buntes Sendebetriebsgebäude, diverse Zweckbauten, der Fernsehgarten und: ein Friseur. Vor den Toren, getrennt durch eine Schnellstraße, geht es weiter. Hier steht das „Sendezentrum 2“ für ZDFneo und für die Kulturkanäle 3sat und Arte. Sie sitzen auf einem Gelände, das die einstige Mediengröße Leo Kirch für sein inzwischen dezimiertes Imperium bauen ließ. Und weil beim ZDF für die Kulturkanäle Gottfried Langenstein das Sagen hat, nennen die Mainzelmännchen den Komplex schon mal süffisant „Burg Langenstein“.
Man könnte allerdings auch sagen: Hier sitzt mit 3sat eine Art Bad Bank der öffentlich-rechtlichen Sender, denn was für Hauptprogramme zu gefährlich wäre, landet hier: Ausgiebiges aus Wissenschaft und Kultur. 3sat liefert das nun schon seit 30 Jahren und bedient damit ein Publikum, das sich auf dem Sofa nicht nur berieseln lassen, sondern vom Fernsehen auch etwas lernen will. Insofern passt der Slogan „anders fernsehen“ ganz gut. 3sat ist anders als alle anderen.
Gottfried Langenstein, der in einem Akt der Ämterhäufung auch Vorsitzender der 3sat-Geschäftsführung ist, nimmt den kühnen Vergleich mit der Finanzindustrie wiederum souverän auseinander. 3sat eine Bad Bank? „Wir sind doch keine Falschmünzer“, sagt er. „Wir haben keine Pakete aus schlechten Programmen geschnürt.“ Langenstein spricht deshalb lieber von einer Quality Bank.
Tatsächlich stützen weite Teile des Programms seine These: die „Kulturzeit“ und das Wissenschaftsmagazin „Nano“, das Wirtschaftsmagazin „Makro“, das kluge Talk-Format „Scobel“, vieles aus den Genres Kleinkunst, Dokumentar- und Spielfilm. Auf all diesen Feldern hat 3sat von jeher die Nase vorn. Und gerade das Kabarett zeigt, dass der Sender auch eine Nachwuchsschmiede für die großen Programme ist: Wer im Zweiten „Neues aus der Anstalt“ und „Pelzig hält sich“ präsentiert, hat sich bei 3sat dafür empfohlen.
Ein Sender, drei Länder, vier Nachrichtensendungen
Der Drei-Länder-Kanal, den die öffentlich-rechtlichen Sender aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gemeinschaftlich mit Programmen befüllen, stößt allerdings auch an Grenzen. Zum Beispiel in der Aktualität: eine gemeinsame Nachrichtensendung? Fehlanzeige. Stattdessen senden die Anstalten „heute“ und „Tagesschau“, das Schweizer „10 vor 10“ und die österreichische „Zeit im Bild 2“ durch. Das mutet zwar exotisch an, lässt den Zuschauer aber recht ahnungslos zurück, denn Parallelen und Unterschiede in der Politik der drei Länder zu erkennen bleibt damit ein mühsames Geschäft. Das klappt bei Arte mit dem einheitlichen „Journal“ besser – für die europäische Perspektive.
Dieses Defizit gleichen bei 3sat die Thementage aus: 24 Stunden lang ein Schwerpunkt. Das klingt anstrengend, funktioniert aber. Mit Tagesangeboten, die jüngst etwa das Kometen-Projekt „Rosetta“ medial flankiert haben, holt sich 3sat bis zu 4 Prozent der jungen Zielgruppe von 14 bis 49 Jahren. Das ist beträchtlich und widerspricht zugleich der Annahme, ausgiebige Inhalte kämen draußen nicht an.
Insgesamt fuhr 3sat hierzulande zuletzt einen Marktanteil von 1,1 Prozent ein. Das ist in der 30-jährigen Geschichte des Senders der Höhepunkt, und das, obwohl immer mehr Kanäle um die Aufmerksamkeit der Zuschauer buhlen. Allein das zeigt schon: In der „Burg Langenstein“ machen sie vieles richtig.
Für die nahe Zukunft plant Langenstein deshalb auch nur kleine Veränderungen. Er will die „Thementage“ weiter ausbauen und seinen Kernformaten „Kulturzeit“ und „Nano“ eine leichtere Handschrift verpassen. Die wahren Neuerungen seien im Digitalen zu erwarten, auch hier vor allem durch Dossiers. Der Programmchef will sich dafür mit der gesamten Kulturszene vernetzen, statt bloß als „Solitär“ unterwegs zu sein.
„Wenn wir nicht wollen, dass Google, Amazon und die anderen das Geschäft machen, dann müssen wir mit denen, die im Kulturraum tolle Dinge machen, zusammenarbeiten und uns wechselseitig Aufmerksamkeit verschaffen“, sagt Langenstein. Er sei bereits „mittendrin“ in Gesprächen etwa mit Feuilletons der Zeitungen und mit Museen, die ihre Archive öffnen wollten – statt bei Googles „Art Project“ eben bestenfalls bei 3sat.
Nach 30 Jahren im Fernsehen könnte aus 3sat also eine multimediale Plattform für Kulturinhalte werden. „Das finde ich viel wichtiger als in großer Eitelkeit nur allein für die eigene Marke unterwegs zu sein“, sagt Langenstein, der künftig „mit anderen aus dem gleichen Themenumfeld unterwegs sein“ will, nach dem Motto: Kooperation statt Konfrontation.
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