Bürgerschaft schweigt zu Kurnaz

Alle Parteien verurteilen die Inhaftierung des in Bremen aufgewachsenen Mannes in Guantanamo, wollen sich aber nicht für seine Wiedereinreise einsetzen. Informationen aus den Akten der Bremer Staatsanwaltschaft landeten bei US-Diensten

Bremen taz ■ Die Bremische Bürgerschaft hat gestern mit den Stimmen von SPD und CDU einen Antrag abgelehnt, mit dem der Senat aufgefordert werden sollte, sich für den seit vier Jahren in Guantanamo einsitzenden, in Bremen aufgewachsenen Murat Kurnaz einzusetzen. Der abgelehnte Antrag enthielt auch die Aufforderung an den Innensenator, das Urteil des Verwaltungsgerichts zu akzeptieren und dem Bremer im Falle seiner Freilassung nicht die Rückkehr nach Bremen zu verwehren. Hintergrund: Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) hatte den Fakt, dass Kurnaz länger als ein halbes Jahr im Ausland war, zum Anlass genommen, um ihm seine Aufenthaltsgenehmigung zu entziehen. Das Bremer Verwaltungsgericht hatte das für rechtswidrig erklärt, denn Kurnaz sei nicht freiwillig im Ausland.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Matthias Güldner, warf in der Debatte der Bürgerschaft dem früheren Bremer Bürgermeister Henning Scherf (SPD) vor, er habe sich über Jahre strikt geweigert, wenigstens eine Vertretung von Amnesty International und die Mutter des Betroffenen zu einem Gespräch zu empfangen. Jens Böhrnsen müsse das korrigieren.

Der CDU-Politiker Ralf Herderhorst ging mit bedächtigen Worten auf das Problem ein. Was in Guantanamo passiere, sei „mit Rechtsstaatlichkeit nicht zu vereinbaren“, erklärte er. Wenn das Innenministerium keine Gründe vorlege, die gegen eine Wiedereinreise sprächen – und solche seien ihm „bis heute nicht bekannt“ – dann müsse Kurnaz wieder einreisen dürfen. An den Grünen-Politiker Güldner gewandt fragte er polemisch, warum denn der Grüne Außenminister Josef Fischer sich in der Frage nicht engagiert habe.

Das sei ein „unerträglicher“ politischer Fehler Fischers gewesen, konterte Güldner, und wenn man sich da einig sei, dann folgere daraus, dass Bremen sich lautstark für ein rechtsstaatliches Verfahren einsetzen müsse. Dass Bremen versucht habe, durch die Einreiseverweigerung auf das Gefangenenlager „noch eins draufzusetzen“, habe dem Ruf Bremens schwer geschadet, erklärte Güldner.

Der SPD-Rechtspolitiker Wolfgang Grotheer gab Güldner in dessen Kritik an dem Bremer Innensenator ausdrücklich Recht und erklärte, dem Antrag könne er aber nicht zustimmen, weil die Legislative sich mit einem derartigen Antrag in Belange der Exekutive einmischen würde.

Auch Innensenator Röwekamp versicherte, die Inhaftierung sei mit deutschen rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar, die Verweigerung der Wiedereinreise sei aber rechtlich geboten. Er habe sich dabei mit dem Innenministerium unter Otto Schily abgestimmt und werde das weiter tun bei der Bewertung des Gerichtsurteils.

Der Anwalt von Kurnaz, Bernhard Docke, hat derweil mitgeteilt, dass Kurnaz offenbar von mehreren Deutschen, die sich nicht ausgewiesen hätten, verhört worden ist. Zudem seien Informationen aus Bremen in die US-Akten eingeflossen: „Den Akten konnten wir entnehmen, dass die Amerikaner über eine Vielzahl von Detailinformationen verfügen, die sich unter anderem auf Ermittlungsergebnisse beziehen, die die Staatsanwaltschaft und die Generalbundesanwaltschaft in Bremen erzielt haben“, erklärte Docke. „Ich habe die Vermutung, dass es für den Besuch der Deutschen in Guantanamo Gegenleistungen gegeben hat – in Form des Austausches von Ermittlungsergebnissen.“ kawe

Das Interview mit Docke steht unter www.mehr-dazu.de.