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Archiv-Artikel

Osteuropa auf Bio-Kurs

KOST THE OST Ungarn ist Partnerland der diesjährigen IGW. Ökologisch bewirtschaftetes Land wächst rasant in Osteuropa. Das meiste geht in den Export, eigene Produkte sind noch rar

Osteuropa kann aus den Fehlern des Westens bei der Transformation der Landwirtschaft lernen

VON DENNY CARL

Wer sich mit neugierigen Augen auf Schatzsuche im örtlichen Bioladen begibt, findet vielleicht dabei Aprikosenmus, Akazienhonig oder Zwetschgenwasser der Firma Tarpa – und damit eine kleine Rarität. Denn in Ungarn, dem Partnerland der diesjährigen Internationalen Grünen Woche, gibt es sehr wenige Firmen, die dort mit biologisch erzeugten Rohstoffen produzieren und sogar noch erfolgreich exportieren.

Bioprodukte aus Osteuropa haben es schwer im Ausland. Auch die Nachfrage auf den eigenen Märkten ist besonders in Ländern mit niedrigen Einkommen verschwindend gering. So ist der Export von preiswerten und hochwertigen Biorohstoffen Richtung Westen derzeit das Zugpferd für die Entwicklung des osteuropäischen Ökolandbaus.

Allein in Polen stieg die ökologisch bewirtschaftete Fläche innerhalb der vergangenen fünf Jahre von knapp 70.000 Hektar auf schätzungsweise 370.000 Hektar an. Im gleichen Zeitraum konnten Slowaken und Rumänen ihre Fläche jeweils etwa verdreifachen. In Russland ist Ökolandbau nahezu bedeutungslos. Tschechien verfügt hingegen mit etwa 360.000 Hektar und damit gut 8 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche des Landes über einen beachtlichen Wert. Deutschlands Ökoäcker und -wiesen haben im Vergleich dazu nur einen Anteil von 6 Prozent, Österreich liegt mit über 13 Prozent weit vorn. Einschränkend muss allerdings erwähnt werden, dass nur gut 10 Prozent der tschechischen Biofläche als Ackerland kultiviert werden.

Den weiteren Ausbau des ökologischen Landbaus in Ost- und Mitteleuropa zu unterstützen, hat sich die gemeinnützige Non-Profit-Organisation EkoConnect aus Dresden auf die Fahnen geschrieben. Seit sechs Jahren bündelt EkoConnect Wissen und Erfahrungen im ökologischen Landbau, hilft beim Aufbau von Netzwerken und Infrastruktur, organisiert Kongresse wie das jährliche Organic Marketing Forum und führt wissenschaftliche Studien durch. In regelmäßigen Abständen veröffentlicht der Verein einen Informationsbrief in zehn Sprachen.

Bernhard Jansen, geschäftsführender Vorstand von EkoConnect, sieht mehrere Gründe für das gute Wachstum des osteuropäischen Ökolandbaus. Der hohe, in den vergangenen Jahren mitunter schwer zu befriedigende Rohstoffbedarf des Westens ist einer davon. Viele osteuropäische Bauern erkannten schnell das Potenzial des Bioanbaus und reagierten ganz pragmatisch auf die sprunghaft angestiegene Nachfrage. Grundlegende Strukturen existierten in einigen Ländern Osteuropas sogar schon. So wurde 1983 in Budapest Biokultura gegründet, ein Verein zur Förderung der ökologischen Landwirtschaft. 1996 entstand daraus die offizielle Zertifizierungsstelle Biokontroll. In den 1990er-Jahren orientierte sich Ungarn, dessen Landwirtschaft ohnehin oft noch einen sehr naturnahen Charakter hat, zudem fortwährend an EU-Verordnungen. Die EU-Osterweiterung sorgte schließlich für Subventionen, Förderprogramme und Erleichterungen im Export. Schnell konnten die Neuen mit niedrigen Preisen punkten.

Doch nicht nur ökonomische, auch ökologische Gründe spielen oft eine Rolle. „Ich bin immer wieder erstaunt, wie hoch das Umweltbewusstsein in Osteuropa ist“, sagt Bernhard Jansen. Viele Bauern erkennen den Beitrag der ökologischen Landwirtschaft zur Erhaltung und Pflege ihres ländlichen Raums.

Osteuropa kann aus den Fehlern des Westens bei der Transformation der Landwirtschaft lernen. „Die Rohstoffproduktion in Osteuropa wächst zügig und wird vielleicht in zehn Jahren das Niveau Westeuropas erreichen“, schätzt Jansen. Seine To-do-Liste für die nächsten Jahre: „Solidität, gesundes, nachhaltiges Wachstum, Kommunikation mit dem Verbraucher, Kooperation zwischen den Erzeugern sowie Know-how und Forschung.“

Außerdem sollten Regionen ihre klimatisch bedingten und traditionellen Trümpfe ausspielen. So wäre die Ukraine ein ideales Land für hervorragendes Getreide – und Obst, Gemüse aus der Balkanregion bekäme einfach mehr Sonne.

Es gibt im Osten Europas noch diverse Probleme, die den Ausbaus des Öko-Landbaus hemmen. So kann sich so mancher Betrieb die Biozertifizierung einfach nicht leisten. „Ohne strenge Kontrolle und Zertifizierung geht es aber nicht“, so Jansen. Die Finanzkrise und die damit verbundene Zurückhaltung der Banken bei Krediten bedeuten besonders für kleine Höfe oft das Aus. Ein hoher Preisdruck seitens großer Abnehmer von Rohware erschwert das Überleben zusätzlich.

Die Akzeptanz von Bio in der Bevölkerung hängt im hohen Maße von der Durchdringung des Marktes mit eigenen Bioprodukten ab. Doch der derzeitige Mangel an Verarbeitungsbetrieben, Vertriebsstrukturen und Vermarktungsstrategien hemmt diesen wichtigen Prozess. Selbst das Vorzeigeland Tschechien muss die Hälfte des noch geringen Bedarfs an Bioprodukten aus dem Ausland importieren. Das Potenzial für einen wachsenden Biomarkt in Osteuropa mit seinen rund 200 Millionen Verbrauchern ist für viele Experten jedoch unbestritten.