piwik no script img

Archiv-Artikel

Der Kampf um 50 Journalistenplätze

MEDIEN Deutsche Journalisten können zwar auf ihre reservierten Plätze verzichten – sich aber nicht darauf verlassen, dass dafür türkische Kollegen von dem Prozess gegen Beate Zschäpe berichten dürfen

Von WOS

BERLIN taz | Nach nicht mal drei Stunden waren die festen Presseplätze im NSU-Verfahren weg. Um 8.56 Uhr hatte das Oberlandesgericht München am 5. März per E-Mail die Aufforderung an die Medien verschickt, sich für den Prozess zu akkreditieren. Bereits um 11.42 Uhr soll der letzte der 50 garantierten Plätze vergeben gewesen sein: an die Sächsische Zeitung.

  Seit vor einer Woche die Liste aller zugelassenen Medien bekannt wurde, tobt die Debatte. Denn in den Top 50 landeten zahlreiche große und kleine deutsche Medien, von der Süddeutschen über die taz bis zu Radio Arabella. Leer ausgingen dagegen: Neue Zürcher Zeitung (Platz 53), die britische BBC (Platz 85), New York Times (Platz 88) – und alle türkischen Medien. Zu Terminen mit großem Andrang dürften sie es kaum in den Sitzungssaal schaffen. Die einzige Chance: früh am Morgen anstehen für die wenigen weiteren Plätze für normale Zuschauer.

Ob wirklich alle interessierten Journalisten, wie es das Gericht behauptet, vorab wussten, dass die Zulassung ausschließlich dem Prinzip „Wer zuerst kommt …“ folgt, ist zweifelhaft. In anderen großen Verfahren hatte es durchaus ein festes Kontingent für ausländische Medien gegeben.

Doch trotz anhaltender Kritik bleibt das Gericht bisher dabei: Eine Garantie für einen Platz im Prozess gibt es nur für die Medien in den Top 50, von denen fest alle deutsch sind. Selbst Vorschläge von Radio Arabella und Bild, ihren Platz der türkischen Zeitung Hürriyet (Platz 68) zu überlassen, erlaubt das Gericht nicht.

Die einzige Möglichkeit, dass türkische Medienvertreter noch auf die Pressetribüne kommen, hat Tücken: Deutsche Journalisten könnten aus Solidarität an den jeweiligen Prozessterminen auf ihre Reservierung verzichten – müssten aber dann darauf hoffen, dass auch diejenigen Kollegen, die offiziell noch vor den türkischen auf der Nachrückerliste stehen, ebenfalls großzügig sind. Verlassen kann sich darauf keiner. WOS