: BGH bremst einarmige Banditen
Casinobetreiber WestSpiel muss Spielsüchtigen Einsätze zurückzahlen. Die Spieler konnten trotz Selbstsperre an Automaten weiterzocken. Urteil des Bundesgerichtshofs: „Kontrolle war möglich“
VON GESA SCHÖLGENS
Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat gestern zugunsten zweier Spielsüchtiger aus Schwerte und Bielefeld entschieden. Deren Ehefrauen hatten von der Westdeutsche Spielbanken GmbH (WestSpiel) in Münster die Rückzahlung verspielter Gelder in Höhe von 4.000 bzw. 5.100 Euro gefordert. Mit dem Grundsatzurteil verpflichtet der BGH erstmals eine Spielbank zur Erstattung von Verlusten. WestSpiel will nun prüfen, ob sich daraus Änderungen für den Umgang mit Spielsperren ergeben.
Die Spielsüchtigen hatten gegenüber den Casinos schriftlich eine „Selbstsperre“ erklärt. Dennoch besuchten sie die Casinos Hohensyburg und Bad Oynhausen. In den ohne Ausweiskontrolle zugänglichen Automatenspielsäle verzockten sie ihr Geld – allen Warnschildern für gesperrte Spieler zum Trotz . Einer der Männer hob 1997 an einem einzigen Abend per Kreditkarte 10.000 Mark über ein Telecash-Gerät ab. Aus Sicht der Klägerinnen hätten die Zocker auch an den Automaten, dem „Kleinen Spiel“, durch Kontrollen geschützt sein müssen. Karlsruhe gab ihnen Recht und schloss sich damit einem Urteil des Landgerichts Münster an.
Die Spielbanken hätten sich vertraglich dazu verpflichtet, die Süchtigen „im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren“ von den Spielen fern zu halten und „vor wirtschaftlichen Schäden zu bewahren“, hieß es in der Entscheidung. „Beim Telecash wären Kontrollen möglich gewesen“, sagt BGH-Sprecher Ulrich Joeres. WestSpiel rechnet derweil nicht mit neuen Rückerstattungsforderungen: „Die Urteile betreffen nur Altfälle“, so das Unternehmen. Seit über vier Jahren würden die Casinos Telecash-Kontrollen durchführen.
Als einen „wichtigen ersten Schritt“ bewertet der Fachverband Glücksspielsucht die Entscheidung: „Es ist gut, dass der Umgang mit gesperrten Kunden gerügt wurde“, sagt Vorsitzende Ilona Füchtenschnieder. Bundesweit sei aber ein rechtliches Konzept nötig, das auch Kontrollen für das Kleine Spiel eindeutig regele. Laut Fachverband beziehen die Spielbanken daraus heute 80 Prozent ihrer Erträge. Pro Abend könne man am Automaten mehrere 10.000 Euros verlieren. „Aus unserer Sicht müssen wie in der Schweiz bereits am Eingang die Ausweise kontrolliert werden“, so Füchtenschnieder. Bayern will dem folgen und 2008 Kontrollen beim Kleinen Spiel einführen. Auch die Innenministerkonferenz hatte sich 2004 dafür ausgesprochen. Sie scheiterte jedoch an den Finanzministerien, die von den Einnahmen der staatlich konzessionierten Spielbanken profitieren.
Der Spielbetrieb der Casinos erfolgt unter der Hoheit und Kontrolle der jeweiligen Länder. Diese sind an den Einnahmen der Gesellschaft beteiligt. WestSpiel ist selbst eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der NRW.Bank. Nordrhein-Westfalen wird mit 65 Prozent (knapp 100 Millionen Euro jährlich) an den Gewinnen von WestSpiel beteiligt, 15 Prozent erhält die jeweilige Spielcasino-Standortgemeinde. Ein Teil des Geldes fließt in eigens eingerichtete Stiftungen.
Ob generelle Ausweiskontrollen zumutbar sind, lässt das Gericht offen. Auch wenn gesperrte Spieler mitgebrachtes Bargeld verzocken, hilft das Urteil nicht weiter. „Hier muss im Einzelnen entschieden werden“, so BGH-Sprecher Joeres.