: Ungezügelter Zahlenzauber
Das Statistische Jahrbuch 2005 zerlegt Berlin in Zahlenkolonnen – von A wie Außenhandel bis Z wie Zahnärzte. Selbst die Anbaufläche grüner Pflückbohnen und der Pinguin-Nachwuchs sind erfasst
VON ANNETTE LEYSSNER
Über Berlin ist vieles bekannt: etwa, dass die Stadt in Sachen Wirtschaftsentwicklung im deutschlandweiten Vergleich immer mehr hinterherhinkt. In dieser Hinsicht gab es bei Vorstellung der Zahlen des Statistischen Jahrbuch 2005 gestern keine Überraschungen (siehe Kasten).
Weniger bekannt hingegen ist, dass Viehhalter die Stadt in Scharen verlassen. Während 1996 noch 192 Einwohner Pferde, Rinder, Schweine, Schafe oder Geflügel ihr Eigen nannten, waren es Ende 2004 nur 33. Auf die Erzeugung von Nachwuchs spezialisierte Schafböcke finden sich genau 7 innerhalb der Stadtgrenze.
Was aber geschah mit den 2.237 Pferden, den 1.101 Schweinen und 12.994 Hühnern, die seit 1996 aus der Statistik verschwanden? Sybille Gram, beim Statistischen Landesamt zuständig für den Bereich Agrar, weiß das auch nicht so genau: „Angst vor Rinderwahn, Preisverfall für landwirtschaftliche Produkte – es gibt viele Gründe für den Rückzug der Landwirtschaft.“ Aus dem Fundus der Statistik weist sie darauf hin, dass es 1946 an die 100.000 viehhaltende Haushalte gab. Das am häufigsten gezählte Tier war damals das Kaninchen mit 170.275 Artgenossen.
Liebhaber von exotischen Tieren können sich in Berlin an 27 Krokodilen und 99 Pinguinen in Zoo und Tierpark erfreuen. Und genau 4-mal gab es bei ihnen im vergangenen Jahr einen „Zuchterfolg“ zu vermelden.
Wie sich der Anbau von Gemüse in den Stadtgrenzen entwickelt, darüber gibt das Jahrbuch ebenfalls Auskunft. In der Kategorie „Anbauflächen unter Glas“ sind seit dem Jahr 2000 Rückgänge in den Rubriken Kohlrabi, Tomaten und Paprika verzeichnet. Gurkenfreunde können hingegen in mehr ortsnah angebautes Grünzeug beißen: Die Anbaufläche wuchs von 180 auf 250 Quadratmeter. Zugelegt in der Rubrik „Anbaufläche Freiland“ haben Grünkohl, grüne Pflückbohnen und Schnittlauch.
Das schlaue Buch gibt auch Auskunft über die Unbilden des Lebens in der Großstadt. In Sachen Straßenverkehr war der November mit 11.408 aufgenommenen Unfällen der gefährlichste Monat des Jahres 2004. Im Oktober und Dezember knallte es jeweils etwa 1.000 Mal weniger. Hochzeit für Funkwagen war hingegen der August mit 58.507 Einsätzen. Was die Berliner im November so unfallanfällig und im Hochsommer so einsatzbedürftig machte, kann sich die Polizei nicht erklären: „Ich weiß nicht, woran das liegt. Das kann das Wetter sein“, sagte Polizeisprecher Michael Merkle. Auffällig auch: Während 833.399 Berliner im Jahre 1991 den Notruf wählten, waren es im vergangenen Jahr 1.455.026. „Das liegt an der telefonischen Erschließung des Ostteils der Stadt“, sagt Walter Strobach von der Funkbetriebszentrale der Polizei. Anfang der 90er-Jahre hätten viele Wohnungen noch keinen Anschluss gehabt. Hilfsbedürftig waren die Berliner übrigens auch zu Wasser: Die AG Wasserrettungsdienste musste 383 Boote freischleppen.
Im Kapitel Gesundheitswesen ist aufgeführt, dass die Zahl anonymer Begräbnisse von 22 Prozent im Jahr 1992 auf fast 41 Prozent 2004 stieg. Unter der Rubrik „Ausgewählte Todesursachen“ sind 25 Fälle von Tuberkulose verzeichnet. Einen Lichtblick gibt es dennoch: Keine Berlinerin starb an Komplikationen während der Geburt.