RAUS AUS DER FLITTCHENBAR: Ohne Umsteigen
Ich war zu Gast in Falko Hennigs Radiosendung „Das klingende Radio Hochseerätsel“. Es war eine unterhaltsame Stunde, in der es galt, ein Lösungswort mit acht Buchstaben über Musiktitel zu erraten. Falko Hennig hatte unterhaltsame Lieder wie „Mella Mella“, zu Deutsch „Lösung Lösung“, des äthiopischen Polizeiorchesters und einen flotten Evergreen von Karl Kraus in petto. Ich wartete mit Françoise Hardy, Nancy Sinatra und einem Song von Sixto Rodriguez auf, über den kürzlich in den Kinos der tolle Dokumentarfilm „Searching for sugar man“ lief.
Danach tranken wir noch einige Biere in der Flittchenbar, die über dem Radiostudio in Mitte liegt und nichts mit der gleichnamigen Bar in Kreuzberg zu tun hat. Weil die letzte U-Bahn weg war, als ich die Bar verließ, lief ich zu Fuß zum Nachtbus am Alex.
Auf dem Weg dorthin stieß ich auf eine Gruppe angetrunkener Jugendlicher aus der westdeutschen Provinz. Als würden sie mir ansehen, aus was für einer Bar ich komme, deuteten sie mit ihren Unterkörpern rhythmische Bewegungen an, die keine Zweifel daran ließen, wonach ihnen der Sinn stand. „Wo ist die Oranienburger Straße?“, fragte einer mit überdrehter Stimme. „Geradeaus“, entgegnete ich kurz angebunden. Da schrie der Typ: „Zum Ficken geht’s geradeaus!“
Der Nachtbus kam ähnlich schnell, wie ich mir vorstellte, dass die Jungspunde bei den käuflichen Frauen in der Oranienburger Straße kommen würden. Mit den passenden Münzen in der Hand bat ich den Fahrer um ein Ticket. „Mit Umsteigen?“, fragte der Fahrer, ein rundlicher, freundlicher Herr. Irritiert schüttelte ich den Kopf. Da legte er seine Hand auf meinen rechten Unterarm und winkte mich durch. Einfach so.
Ich konnte es kaum glauben. Er wollte nicht nur nicht ficken, sondern ließ mich seine Dienste noch dazu kostenlos in Anspruch nehmen. BARBARA BOLLWAHN
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