piwik no script img

Archiv-Artikel

Die Geld-Gerüchte

VON R. BÄSSLER UND W. GAST

Die Darstellung des Entführungsfalles von Khaled al-Masri muss nach der gestrigen Sondersitzung des Innenausschusses in einem zentralen Punkt korrigiert werden. Innenminister Wolfgang Schäuble erklärte Teilnehmern zufolge, dass an dem vertraulichen Gespräch zwischen dem damaligen Bundesinnenminister Otto Schily und US-Botschafter Daniel Coats am 31. Mai 2004 über den Entführungsfall auch ein Mitarbeiter des Innenministeriums teilgenommen habe. Der Unterabteilungsleiter Schindler habe das Gespräch zudem protokolliert. Über den Abteilungsleiter Krause sei das Papier später dem Vizepräsidenten des Bundeskriminalamts (BKA) bekannt geworden. Das Innenministerium dementierte gestern, dass über das Gespräch ein Vermerk angefertigt worden sei.

Schily hat bisher den Eindruck erweckt, bei dem Treffen zwischen Coats und ihm habe es sich um ein Vier-Augen-Gespräch gehandelt, bei dem er äußerste Diskretion zugesichert habe. Bemerkenswert an dem Vorgang ist, dass allenfalls Schily über das Treffen schweigen durfte. Anders als der Ex-Innenminister ist das BKA an das Legalitätsprinzip gebunden. Danach muss die Behörde bei Bekanntwerden einer Straftat ein Ermittlungsverfahren einleiten oder die Staatsanwaltschaft unterrichten.

Schäuble hatte zuvor im Bundestag über das Gespräch von Schily und Coats vom Pfingstmontag berichtet. Danach habe der US-Botschafter erläutert, dass sich die USA bei al-Masri entschuldigt, mit dem Deutschlibanesen Stillschweigen vereinbart und ihm einen Geldbetrag gezahlt hätten.

Manfred Gnjidic, Ulmer Anwalt des Deutschlibanesen al-Masri, wies die Behauptung zurück, die CIA habe sich entschuldigt und Geld gezahlt. Gnjidic sprach gegenüber der taz von einem „gezielt gestreuten Gerücht“. Er habe sofort nach Bekanntwerden der angeblichen Zahlung Kontakt mit Masri aufgenommen. Der habe ihm erneut versichert, nie entschädigt worden zu sein, auch habe es keine Entschuldigung gegeben. „Mir gegenüber ist aus politischen Kreisen kolportiert worden, dass es sich um einen Betrag von 500.000 Dollar handeln soll“, sagte Gnjidic.

Für ihn ist das, was Schäuble mitgeteilt hat, ein „Versuch, Misstrauen zwischen mir und meinem Mandanten zu säen“. Zudem handele es sich offenbar um eine „hinterfotzige Klageerwiderung der Amerikaner“.

Gnjidic hat in der vergangenen Woche mit Unterstützung der US-Menschenrechtsorganisation American Civial Liberties Union (ACLU) eine Zivilklage vor einem Bezirksgericht in Virginia eingereicht. Sie richtet sich gegen den 2004 zurückgetretenen CIA-Chef George Tenet und drei US-Flugunternehmen, die Flugzeuge und Personal für die Entführung von al-Masri bereitgestellt haben sollen.

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), hält es nicht für unmöglich, dass deutsche Behörden Daten von Khaled al-Masri an die USA weitergegeben haben. Lediglich für Bundesbehörden könne dies ausgeschlossen werden, sagte Erler auf die Behauptungen nach Angaben des Fernsehsenders Phoenix am Mittwochabend: „Es hat eine Abfrage bei allen Bundesbehörden, die hierin involviert sein könnten, gegeben. Ergebnis: negativ.“ Das bedeute allerdings nicht, dass auf keiner Ebene eine Information weitergegeben worden sei.

Vorläufig, so Erler, könne die Bundesregierung ganz klar nur den Vorwurf zurückweisen, dass die Amerikaner auf Veranlassung deutscher Bundesbehörden aktiv geworden sind.

Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte am Mittwochabend im Bundestag beteuert: „Die Bundesregierung, der Bundesnachrichtendienst, das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz haben keine Beihilfe zur Verschleppung des deutschen Staatsbürgers al-Masri geleistet.“