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Archiv-Artikel

sichtet die sozialen Bewegungen in der Stadt

JÖRG SUNDERMEIER

Am Donnerstag finden gleich zwei bemerkenswerte Veranstaltungen statt. Bereits am Mittag wird im Amtsgericht Neukölln (Karl-Marx-Straße 77, 12 Uhr) aus der Kirche ausgetreten, und dies massenhaft – so jedenfalls wünscht es sich die Anarchistische Gruppe Neukölln. Mit der Aktion reagiert diese Politgruppe, um ganze sieben Tage verspätet, auf das Tanzverbot, dass die Kirchen an Karfreitag immer wieder durchsetzen. Nun muss man sich geradezu zwangsläufig fragen, ob das Tanzverbot wirklich das schlimmste Vergehen der Kirchen ist. Aber sei’s drum, wir sind ja in funny Neukölln – wer also aus der Kirche austritt, darf hinterher Leib-Christi-Muffins einnehmen und sich einer Biertaufe unterziehen. Am Abend dann wird Bini Adamczak im Bantito Rosso (Lottumstraße 10, 19 Uhr) ihr Buch „Gestern Morgen“ zur Diskussion stellen, das zwar nicht das allerfrischeste ist, dennoch aber ein sehr lesenswertes. Adamczak versucht sich nämlich an nichts weniger als der Rekonstruktion eines kommunistischen Begehrens und spaziert dabei locker, aber kenntnisreich durch die Geschichte des Kommunismus und der realsozialistischen Staaten. Es geht am heutigen Abend, kurzum, um nichts weniger als die Zukunft.

Am Samstag findet eine Demonstration am Friedhof am Columbiadamm (14 Uhr) statt, hierbei wird an Burak B. erinnert, der vor einem Jahr an ebendieser Stelle von einem vorbeigehenden Passanten einfach so niedergeschossen wurde und sofort verstarb. Er wurde 22 Jahre alt. Zwei weitere Begleiter mit migrantischem Hintergrund überlebten das Attentat schwer verletzt. Zwar ist der Schütze nicht gefasst, doch es ist davon auszugehen, dass Rassismus das Motiv des Mörders war. Die Ermittlungsbehörden allerdings bewegen sich nicht und sehen in diesem Mord eine zufällige, nicht politisch motivierte Tat. Da fragt man sich dann schon, ob die Exekutive irgendetwas gelernt hat aus dem politischen Skandal, den der Fall der NSU-Morde und die Behandlung der Morde durch die Ermittlungsbehörden darstellt.

Am Montag schließlich lädt das Rromano Bündnis zu einer Demonstration und einer Gedenkkundgebung zum „Internationalen Tag der Roma“ ein. Die Demonstration startet sinnigerweise vor der Ungarischen Botschaft (Unter den Linden 76, 15 Uhr), da in Ungarn der Hass auf die Roma inzwischen geradezu zu einem Regierungsprogramm geworden ist. Und lässt selbstverständlich den hierzulande immer mehr zunehmenden Antiziganismus nicht außer acht.

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