: Das Montagsinterview„Ich belächle das komplett“
Ein Shooting-Star des Kunstbetriebs – dabei ist Rik Reinking Sammler, nicht Künstler. Oder ist der Unterschied so groß gar nicht?TRÜFFELSCHWEIN ODER SPIELVERDERBER: Rik Reinking ist 33 und Kunstsammler. Nicht nur mit Ausstellungen hat sich der Hamburger einen Namen gemacht. Sondern auch damit, dass er das System durchschaut
■ ist in Hamburg geboren und in Oldenburg aufgewachsen, wo er sich mit 16 auf dem Werk zur Schule sein erstes Kunstwerk kaufte.
■ 1996 schrieb sich Reinking an der Uni Hamburg für Jura und Kunstgeschichte ein.
■ 1997 organisierte er sein erstes Kunstprojekt im alten Elbtunnel.
■ Heute gehört Reinkings Sammlung – bestehend aus Arbeiten von 200 Künstlern, von denen einige inzwischen Millionen wert sind – zu den wichtigsten Sammlungen zeitgenössischer Kunst in Hamburg und darüber hinaus. FZ
INTERVIEW FLORIAN ZINNECKER
taz: Herr Reinking, erzählen Sie doch mal, wie Sie mit 16 in einer Buchhandlung für 250 Mark Ihr erstes Bild gekauft haben, ein Selbstporträt von Horst Janssen?
Rik Reinking: Och nee, bitte nicht! Ich meine, faktisch hat jeder irgendwann angefangen – aber wie alt war ich da? Wie breit war da mein Horizont? An diesem Punkt bin ich schon lange nicht mehr.
Fast jedes Interview mit Ihnen beginnt mit dieser Geschichte.
Langsam kommt sie mir selbst schon wie ein Märchen vor. Wahrscheinlich ist das aber ein Problem des modernen Journalismus. Da bewegen sich Leute mit einem Minibudget und superstraffem Zeitplan, die knapp kalkulieren müssen, damit am Ende des Monats die laufenden Kosten gedeckt sind. Das finde ich frustrierend. Es passiert auch immer wieder, dass ein Journalist mit mir ein Interview über Streetart führen will, und ich merke sofort: Der hat den Begriff vielleicht fünf Minuten gegoogelt. Und diese Zeitung hier (zeigt auf ein auf dem Tisch liegendes Hamburger Boulevardblatt) hat mal ein Interview mit mir gebracht, das ich nie geführt habe. Ich habe die Anfrage abgelehnt, das weiß ich noch, also haben die es aus anderen Interviews zusammengeklaut.
Wahrscheinlich Nebeneffekte ihres Daseins als Shooting-Star unter den Kunstsammlern. Wie sehr nervt Sie das?
Anscheinend braucht die Presse Superlative. Bei mir hieß es anfangs „jüngster Sammler“, dann „jüngster Großsammler“ – ich habe mich dann zurückgelehnt und gedacht: So lange mein Superlativ „jüngster“ ist, erledigt sich das von selbst. „Cleverster“ wäre schlimmer – dann müsste ich was verteidigen. Nein, ernsthaft: Ich belächle das komplett. Ich habe auch mal den Begriff „Trüffelschwein“ gelesen. So ein Blödsinn.
Sie sind ein Trüffelschwein, weil Sie Arbeiten von unbekannten Künstlern kaufen, die wenig später millionenschwer sind.
Ich bin weltweit unterwegs, in Südamerika, Nordamerika, Asien, Europa. Ich habe überall meine Termine, meine Freunde, mein Netzwerk. Da merke ich, wenn ein Name plötzlich immer wieder auftaucht. Ich bin da natürlich auch selbst ein Motor, weil ich auch über die Leute spreche, die ich schätze. Und wenn die Qualität der Arbeiten interessant ist, wenn sie sich mit unserer Zeit beschäftigen und etwas zu sagen haben, dann bemerken das natürlich all die Leute in diesem System. Und dann kommt sehr bald der Punkt, an dem ich sehe: Wenn ich von dem noch etwas haben möchte, muss ich sehen, dass ich’s jetzt hinkriege. Sonst ist der Zug abgefahren. Das ist aber nichts besonderes. Das ist der Markt.
Dass Sie sich die Arbeit dann auch immer leisten können, ist selbstverständlich?
Oh nein. Nüchtern betrachtet: Ich habe mit 16 angefangen zu sammeln, habe eine Arbeit gekauft, dann noch eine und noch eine – und dann hatte ich sofort ein Lagerproblem. Ich musste Räume anmieten, eine Struktur aufbauen, die jeden Monat Geld kostet. Ich habe kein Erbe, kein Familienunternehmen, nichts davon. Das heißt: Ich muss es schaffen, dass sich das Ganze aus sich selbst heraus finanziert. Das ist überhaupt nicht witzig. Ehrlich gesagt: Es ist eine Super-Belastung.
Woher kommt das Geld?
Aus meinem Job. Ich übernehme Suchaufträge für Alte Meister. Für andere Sammler. Nebenbei kommen Anfragen, Katalogbeiträge zu schreiben und Ausstellungen zu koordinieren – zusätzlich zu den Projekten, die ich mache, weil ich an einen Künstler und seine Arbeit glaube. Trotzdem ist es immer wieder ein Kampf.
Warum machen Sie’s dann?
Ganz einfach, weil ich diese Belastung auch spüren mag. Ich mag das Gefühl zu wissen, dass ich da auch eine gewisse Verantwortung trage. Auch wenn das vielleicht absurd ist. Es ist ja auch nicht so, dass ich ein Privatleben habe und mich zwei, drei Stunden pro Woche mit Kunst beschäftige. Ich lebe in der Kunst, absolut.
Wie lange hat es gedauert, bis Sie im Kunstbetrieb einen Fuß auf den Boden bekommen haben?
Ich höre immer: Muss doch toll sein als junger Sammler, wenn es so viele ältere Sammler gibt, die dich fördern und unterstützen. Ganz ehrlich: Man kann sich gar nicht vorstellen, was man da für Steine in den Weg geräumt kriegt. Das sind Eitelkeiten. Die sind gekränkt, wenn da ein Junger kommt, der nicht das Klischee vom Großindustriellen mit Rotweinglas und Zigarre erfüllt, der vielleicht wenig Ahnung hat, aber Kohle. Es gibt viele, die genau aus diesem Grund sammeln: um zu zeigen, dass sie wirtschaftlich versorgt sind und auf dem gesellschaftlichen Treppchen durch Geld und Kunst eine Stufe über den anderen stehen. Die freuen sich natürlich nicht, wenn dann jemand kommt und sagt: Hey, ich kann auch ohne viel Geld Sammler werden, denn faktisch ist es bei mir nicht da. Ich mache meinen Job und bin froh, wenn ich am Ende irgendwie durchkomme. Und wer mich sieht, der merkt natürlich: Okay, es geht also wirklich auch mit wenig.
Klarer Fall: Sie sind ein Spielverderber.
Ich habe mal eine Ausstellung eröffnet an einem Abend, an dem auch noch 15 andere Eröffnungen stattfanden. Einer meiner Gäste kam im Laufe des Abends zu mir und sagte, er komme gerade von einer anderen Eröffnung, bei der sich alle unglaublich aufgeregt hätten über meine Dreistigkeit, am selben Abend zu eröffnen. „Ich gratuliere Ihnen“, sagte er dann noch, „wie man in so jungen Jahren so viele Neider und Missgünstlinge haben kann – das ist eine Leistung.“ Rückblickend klingt das lustig. Aber das ist es nicht. Ich stand vor einer großen Wand, keiner hat mir eine Tür geöffnet, also habe ich mir eine eigene Tür gebaut. Nicht aus Bosheit oder Aufmüpfigkeit, sondern, weil ich es machen wollte.
Weil Sie was machen wollten?
Marcel Duchamp hat gesagt, der Sammler ist Künstler im Quadrat. Mein kreativer Moment liegt darin, Dinge aufeinander zu beziehen. Und wenn man die Sammlung kennt und sich damit beschäftigt, dann geht das natürlich hinaus über das, was man sieht. Es geht doch nicht nur um Raffen und Anhäufen – mit jedem Erwerb übernimmt man ja auch Verantwortung für das Werk. Das wird absolut unterschätzt. Wie viele Leute kenne ich, die eine Kunstbulimie haben – die ständig kaufen und wieder auskotzen, wenn es nicht mehr angesagt ist, wieder kaufen und wieder auskotzen. Da herrscht ganz einfach Langeweile. Abgesehen davon kann man sich so ja auch ein Image bauen: Zeig mir fünf Arbeiten, die in einer Wohnung hängen, und ich kann dir ziemlich viel über den Besitzer sagen – so blöd es klingt, es ist so. Das haben eben auch viele Leute verstanden.
Sie haben das natürlich nicht nötig …
Mich hat mal eine PR-Agentur gefragt, mit welcher Agentur ich arbeite. Die wollten den Kontakt haben, weil sie das alles sehr gelungen fanden, was ich so mache. Es gibt aber keine Agentur. Ich zeige einfach das, was mich beschäftigt, und im besten Fall beschäftigt es dann auch andere. Das hat sich auch an der wirtschaftlichen Entwicklung der meisten Künstler gezeigt. Ob ein Banksy heute 500.000 Euro kostet, morgen eine Million und nächste Woche noch 500 Euro – das ändert nichts an der Qualität dieses Werks, und es interessiert mich auch nicht. Was ist es denn? Es ist eine Leinwand mit ein bisschen Sprühfarbe drauf, egal, was man dann reinprojiziert. Diese Freiheit im Umgang mit Kunst ist anscheinend frech, weil sich einige Leute davon provoziert fühlen. Die denken, das sei arrogant. Lustigerweise sind das meistens auch die Leute, die mir wirtschaftliches Interesse vorhalten.
Hat Ihnen schon einmal ein Künstler eine Arbeit aus reinem Eigennutz angeboten?
Ich habe mal ein Kunstwerk zugeschickt bekommen, von jemandem, den ich nicht kannte. Eine Woche später hatte ich dann einen Katalog von ihm in der Post, in dem stand: Arbeiten sind hier und dort vertreten, unter anderem in der Sammlung Rik Reinking. Mal ehrlich: Wie fühle ich mich denn da?