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Archiv-Artikel

„Moin, moin. Wie geiht di dat?“

SPRACHE Um die Kommunikation mit älteren Patienten zu verbessern, lernen in der Asklepios-Klinik in Hamburg-Wandsbek zwölf Mitarbeiter freiwillig Plattdeutsch

Plattdeutsch lernen

Auch wenn Plattdüütsch oft als aussterbende Sprache bezeichnet wird, kann man das Snacken im Norden noch lernen.

■ In den größeren Städten wie Bremen, Hamburg oder Kiel gehört Plattdeutsch wie Urlaubsspanisch oder Schulenglisch zum normalen Sprachangebot.

■ Die Volkshochschulen bieten Plattdüütsch für Anfänger und Fortgeschrittene an. Die Volkshochschule Hannoversches Land hat sogar Plattlernen auf Sylt als Bildungsurlaub im Programm.

■ An der Uni Kiel gibt es einen Ergänzungsstudiengang „Niederdeutsch“ für Lehrer.

■ Wer lieber am heimischen Rechner lernt, findet im Internet Angebote. Zum Beispiel beim Portal plattolio.de.

■ Auch Radio Bremen bietet einen Online-Kurs an: www.radiobremen.de/wissen/dossiers/plattdeutsch/plattdeutschkurs/ .

■ Die Asklepios-Klinik veranstaltet im Mai ihre „Hanseatische Nachtvorlesung“ auf Plattdeutsch, zu medizinischen Themen wie „De Gallenblos, nix as Arger“ oder „Wat is dat mit de krummen Rückens?“: www.asklepios.com/nachtvorlesungen.

VON BIRK GRÜLING

„Moin, moin. Wie geiht di dat?“ Mit dieser lockeren Begrüßung beginnt die zweisprachige Morgenvisite auf der altersmedizinischen Station der Asklepios-Klinik in Hamburg-Wandsbek. Ein kleiner grün-weißer Anstecker „Wi snackt ok Platt“, also „Wir sprechen auch Plattdeutsch“, verrät die besonderen Sprachkenntnisse von Corinna Szengel. Zusammen mit elf Kollegen lernt die 26-Jährige seit Anfang des Jahres „Plattdüütsch“.

„In meiner Heimat in Mecklenburg-Vorpommern haben natürlich meine Großeltern Platt gesprochen. Früher fand ich das aber nicht so spannend“, erzählt Szengel. Als Leiterin einer Station, die auf Krankheiten älterer Menschen spezialisiert ist, hat sich diese Einstellung gewandelt, immerhin sprechen gut die Hälfte ihrer Patienten auf der Station Plattdeutsch. Bundesweit sind es noch rund zwei Millionen, allein im Hamburg wohl 100.000. Tendenz klar sinkend.

Um den Erhalt einer traditionsreichen Sprache geht in der Klinik eher weniger. Das bisher deutschlandweit einmalige Projekt hat handfeste medizinische Gründe. „Die Kommunikation mit den Patienten verbessert sich durch den lockeren Umgangston. Die Patienten sind deutlich besser ansprechbar, machen besser bei der Therapie mit und fühlen sich auf Station auch wohler“, erklärt Mathias Eberenz, Pressesprecher der Asklepios-Klinik. Auch von dementen Patienten ist bekannt, dass sie im Verlauf ihrer Erkrankung immer öfter in ihre Muttersprache, im Norden oft das Plattdeutsche, zurückfallen. Im pflegerischen Alltag sind die neuen Sprachkenntnisse dementsprechend nützlich, wie auch Szengel erzählt: „Ein Krankenhausaufenthalt ist nie etwas Schönes. Wenn wir den Alltag hier etwas heimisch gestalten können, tut das den Patienten gut.“

Besonders auf junge, plattsnackende Kollegen reagieren die älteren Menschen erfreut. Beim ersten „Moin, moin“ sind sie oft noch überrascht, aber schon nach wenigen Tagen helfen sie meistens eifrig beim Vokabellernen und der richtigen Aussprache. Für einen größeren Wortschatz und die richtige Grammatik drücken die zwölf Freiwilligen – darunter auch Ärzte und Haustechniker – außerdem noch einmal pro Woche die Schulbank. Unterrichtet werden sie von dem pensionierten Lehrer Achim Bröker.

Wie in der Schule gibt es dabei Texte zu lesen und Vokabeln zu lernen. Nach knapp vier Monaten reicht es bei Szengel immerhin schon zu einem gepflegten Smalltalk. „Die Begrüßung, Essen und Trinken, auch Dinge wie die Aufforderung zum Aufstehen kann ich schon fließend“, sagt sie. „Zur Diagnose auf Platt reicht es noch nicht, aber im Alltag mit den Patienten lerne ich ja immer dazu.“

Szengel möchte deshalb unbedingt weitermachen. Auch in der Klinikleitung sieht man das Pilotprojekt als Erfolg und will nachlegen. „Wir wollen jetzt in unserer Klinik in Harburg mit dem gleichen Konzept aktiv werden“, erklärt Mathias Eberenz. In der dortigen Patientenbücherei stehen schon die ersten Bücher auf Platt, auf den Fluren hängen Plakate vom Hamburger Ohnsorg-Theater und Mitte April startet der neue Kurs für die Mitarbeiter. Das Interesse sei schon jetzt sehr groß, sagt der Sprecher. „Sowohl bei Mitarbeitern als auch bei den Patienten.“

Kein Wunder, immerhin leben auch an der Süderelbe genug Menschen, die noch „Plattdüütsch snacken“.