NPD-Fraktion hat ihren ersten Aussteiger

Mit Mirko Schmidt verlässt ein eher stilles Allroundtalent der Rechtsextremen die sächsischen NPD-Parlamentarier. Die tobt wegen des „weltanschaulich nicht gefestigten Verräters“, und Nazi-Aussteiger Zobel sieht gar die Fraktion vor dem Zerfall

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Da waren es nur noch elf. Auf dem Gruppenfoto der sächsischen NPD-Landtagsfraktion im Internet fehlte gestern schon der bisherige Abgeordnete Mirko Schmidt aus Meißen. Am Wochenende hatte er seinen Austritt aus Partei und Fraktion erklärt.

Der Verfassungsschutz Sachsen stand zuvor schon längere Zeit in „recht intensivem Kontakt“ zu dem NPD-Mann, erklärt Verfassungsschutz-Sprecher Alrik Bauer gegenüber der taz. „Herr Schmidt hat sich mit seinen Ausstiegsabsichten an uns gewandt und wir haben ihn bei diesem Schritt begleitet.“ Schmidt sei jedoch nicht als V-Mann eingeschleust gewesen. Die Glaubwürdigkeit seines Ausstiegswunsches habe man intensiv überprüft.

Schmidt unterstellt in der Sächsischen Zeitung der NPD, sie habe die demokratischen Grundsätze verlassen und sich nicht mehr um soziale Fragen gekümmert. Stattdessen fahre sie nur noch die „nationalsozialistische Schiene“. Ihre Ziele seien ebenso „von vorgestern“ wie ihr Antiamerikanismus. Schmidt kritisiert außerdem die straffe Hierarchie und die Vorgabe kompletter Redetexte in der sächsischen NPD-Landtagsfraktion. Dem Landtag will er weiterhin als fraktionsloser Abgeordneter angehören. Offenbar aus Sicherheitsgründen war er gestern nicht persönlich erreichbar.

Zweifel an der Lauterkeit seiner Absichten wurden indessen in der Linksfraktion und bei den Grünen des Landtages laut. Grünen-Sprecher Andreas Jahnel verwies auf Schmidts Laufbahn und seine bisherigen Äußerungen: „Sein Versuch, sich zu entnazifizieren, ist billig und eher mit seinem gescheiterten Ehrgeiz zu erklären.“ Schmidt war 1997 der NPD beigetreten und avancierte schon im Jahr 2000 zum stellvertretenden Landesvorsitzenden. Außerdem ist er Stadt- und Kreisrat in seiner Heimatstadt Meißen. Im Vorjahr kandidierte er bei der Wahl der sächsischen Ausländerbeauftragten als „Rückführungsbeauftragter“ für seine Fraktion. In diesem Zusammenhang wurde auch eine Pöbelei gegen einen dunkelhäutigen Fernsehjournalisten bekannt. Schmidt gehörte allerdings sowohl im Landtag als auch in den Meißner Kommunalparlamenten zu den stillen Hinterbänklern, die kaum in Erscheinung traten.

Die NPD-Landtagsfraktion reagierte zuerst gar nicht auf den Flüchtling, donnerte dann aber im besten Diktatur-Deutsch: Schmidt reihe sich ein in die „Reihe charakterlich und weltanschaulich nicht gefestigter Verräter“, heißt es in einer Erklärung des Fraktionsvorstandes. Parallelen zum Zerfall der DVU-Fraktion nach 1998 im Landtag von Sachsen-Anhalt (siehe Kasten) wollte Sprecher Holger Szymanski nicht ziehen.

Jan Zobel aus Hamburg, nach seinem Buch „Volk am Rand“ wohl der bundesweit bekannteste Aussteiger aus der rechten Szene, sieht indessen schon den „Anfang vom Ende“ der NPD-Erfolge kommen. Der Führungsstil des Bundesvorsitzenden Udo Voigt, des sächsischen Fraktionsgeschäftsführers Peter Marx und des Fraktionsvorsitzenden Holger Apfel erzeuge „Risse auf allen Ebenen“ und den Frust der Basis. Da das Führungspersonal meist aus dem Westen komme, überlagere zusätzlich ein Ost-West-Konflikt die ideologischen Streitfragen. Die CDU-Landtagsfraktion in Dresden wies Spekulationen um einen Übertritt Schmidts als „unpassend“ zurück. Rechnerisch wäre damit eine knappe neue schwarz-gelbe Mehrheit anstelle der CDU-SPD-Koalition denkbar. Im Gegensatz zu Mirko Schmidt rechnet Verfassungsschutz-Sprecher Bauer sogar mit weiteren Aussteigern aus der sächsischen NPD-Landtagsfraktion.