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Archiv-Artikel

Der David unter den Kufen-Goliaths

EISHOCKEY Wolfsburg scheitert in den Play-Offs an Köln – und kann trotzdem stolz sein

Die Grizzley Adams Wolfsburg gehören zu den ärmsten Clubs der Eishockey-Liga

Die Genugtuung ist deutlich größer als der Frust. „Eigentlich“, sagt Pavel Gross, „waren wir tot. Jeder hat uns abgeschrieben.“ Was der tschechische Trainer und seine Grizzly Adams aus Wolfsburg in den vergangenen Wochen gezeigt haben, war eine der bisher spektakulärsten Wiederauferstehungen des deutschen Puck-Sports.

Wochenlang hatte sich das Team als Tabellenletzter der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) belächeln lassen müssen. Der Einzug in die Play-offs war ihnen als Zehnter der Hauptrunde gerade so noch gelungen. Dass die Wolfsburger danach aber erst im Halbfinale an den Kölner Haien gescheitert und am Sonntag mit einer 2:4-Niederlage in der Serie Best-of-Five 0:3 ausgeschieden sind, lässt sich am Ende einer Saison voller Kapriolen wahrlich verschmerzen.

Kaufmännisch betrachtet dürften die Wolfsburger gar nicht zu den besseren Adressen der DEL gehören. Gemessen an ihrem Zuschauerschnitt von rund 2.300 Besuchern, der während der Play-offs immerhin auf 3.500 stieg, gehören sie zu den unpopulärsten Mannschaften der Liga. Mit ihrem offiziellen Etat von 4,8 Millionen Euro zählen sie zu den ärmsten DEL-Klubs. Trotzdem gelingt es ihnen, die Elite zu ärgern. Nach ihrem Aufstieg in das Oberhaus vor fünf Jahren ist ihnen immerhin schon ein Pokalsieg, eine Vizemeisterschaft und jetzt der Einzug in das Halbfinale gelungen.

Als der Saisonstart in die Spielzeit 2012/13 gründlich misslungen war, wollte Geschäftsführer Karl-Heinz Fliegauf das ständig mit großem Verletzungspech und unglücklichen Umständen erklären. Beides stimmte. Von den vielen Gratulanten, die nach dem Triumph im Play-off-Viertelfinale gegen Adler Mannheim bei ihm Schlange standen, hatte ihm seinerseits kaum jemand geglaubt.

Im Blick zurück auf eine verrückte Saison wird vor allem dieses Knäuel aus harten Männern in Orange in Erinnerung bleiben. Sie hatten den Titelanwärter Adler Mannheim vor allem deshalb in die Knie gezwungen, weil das Wolfsburger Überzahlspiel bestens funktioniert.

Außerdem kann Cheftrainer Gross vier ausgeglichene Reihen ins Rennen schicken, bei denen selbst die größten Fans grübeln müssen, welche denn die beste ist. Und ihr kleines, in die Jahre gekommenes Stadion zählt immer noch zu den Eisarenen, in denen die etablierten Klubs der DEL ungerne antreten. Wenig Zuschauer, wenig Geld, aber viele schöne Momente: Vielleicht sind die Grizzly Adams gut beraten, ihrer Rolle als Außenseiter und David unter den vielen Goliaths auf Kufen treu zu bleiben.

Ein paar Meter neben ihrem Stadion am Allerpark residiert der VfL Wolfsburg und darf für seine Auftritte in der Fußball-Bundesliga erstaunlich viele Millionen verschwenden. Der Volkswagen-Konzern macht dort einen Luxus möglich, den er sich beim Eishockey nicht leisten möchte. „Ein einziger Olic“, sagt Grizzlys-Geschäftsführer Fliegauf und meint den Fußball-Großverdiener Ivica Olic, „würde uns schon reichen.“

Das Jahresgehalt des Kroaten, der rund sechs Millionen Euro pro Saison verdienen soll, könnte im Eishockey paradiesische Zustände möglich machen. Aber ein solcher Luxus würde den Grizzly Adams Wolfsburg ihren besonderen Status als bissige Außenseiter und tapfere Arbeiter schnell nehmen.  CHRISTIAN OTTO