: Auszeit vom Terror
HONDURAS Sie musste Leibwächter engagieren und ihre Kinder in Sicherheit bringen. Die Gefahr ist für Dina Meza alltäglich
VON KNUT HENKEL
Dina Meza musste weg. Drohanrufe auf dem Handy. Bewaffnete, die zu Hause nach ihr fragten. Männer, die sie abends nach der von ihr moderierten Radiosendung verfolgten. „Ich konnte nicht mehr allein vor die Tür“, sagt die Mutter dreier Kinder. „Die Morddrohungen waren massiv.“
Anfang Januar verließ Dina Meza Tegucigalpa, die Hauptstadt von Honduras. Nun sitzt die 51-Jährige in York, einer von fruchtbaren Feldern umgebenen britischen Universitätsstadt nahe Leeds. Hier besucht Meza zusammen mit elf anderen Journalistinnen und Menschenrechtsaktivistinnen einen Kurs, der ihr mehr Sicherheit bringen soll. Sie lernt beispielsweise, wie sich Abhörtechnik überlisten lässt, indem sie ihre Botschaften codiert, und wie sie das Risiko für ihr eigenes Leben vermindern kann, indem sie gezielt Informationen über ihre Aktivitäten öffentlich macht.
Daneben lernt Dina Meza auch Dinge, die nichts mit Terror und Gefahr zu tun haben: „Es hat schon ein bisschen gedauert, bis ich das Englisch der Kollegen aus dem Iran, Simbabwe oder Sri Lanka verstanden habe. Die Betonung ist vollkommen anders, aber nach ein paar Wochen ging es dann“, sagt Dina Meza und rückt die Brille zurecht.
Rote Pusteln bedecken ihre Wangen. Ein Folge vom Stress und Tränengas, sagt Meza. Letzteres hat sie in den vergangenen Jahren reichlich inhaliert. Mehr als einmal ist eine Granate in ihrer direkten Nähe explodiert, als sie gegen Menschenrechtsverletzungen in Honduras protestierte.
Das ist Teil ihrer Arbeit. Dina Meza ist für das Komitee der Familien von Verhafteten und Verschwundenen (Cofadeh), einer Menschenrechtsorganisation, tätig und arbeitet parallel als Journalistin mit dem Schwerpunkt Menschenrechte. „Der Militärputsch vom 28. Juni 2009, der den Präsidenten Manuel Zelaya aus dem Amt beförderte, hat das Land faktisch in die Hände der einflussreichsten Familien überführt“, sagt sie. Zelaya kehrte zwar 2011 nach langen Verhandlungen in sein Land zurück und hat in einem Abkommen die bereits im November 2009 neu gewählte Regierung akzeptiert, doch unstrittig ist, dass der linksliberale Reformer Opfer eines Putsches wurde.
„Dagegen protestieren wir“, sagt Meza. Sie hat das Onlineportal „Defensores en Línea“ aufgebaut, welches für die Einhaltung der Menschenrechte eintritt und für den Schutz bedrohter Kollegen kämpft. Seit dem Putsch vom Juni 2009 wurden, laut Meza, 27 Journalisten ermordet. Die Organisation Reporter ohne Grenzen hat 25 tote Berichterstatter registriert, wovon acht bei ihrer Arbeit ermordet wurden. Honduras gilt nach Mexiko – dort sind laut Reporter ohne Grenzen in den vergangenen zehn Jahren etwa 80 JournalistInnen getötet worden, viele wurden Opfer des dortigen Drogenkrieges – derzeit als gefährlichstes Land Lateinamerikas für Berichterstatter. Kritische Artikel seien in Honduras Medien mittlerweile eher die Ausnahme als die Regel, urteilt Meza. Erst Anfang März hat Julio Ernesto Alvarado die Moderation der kritischen Radiosendung „Medianoche“ auf Radio Globo aufgegeben – er fürchtete nach massiven Drohungen um seine Sicherheit und die seiner Frau.
Kein Einzelfall, denn in Honduras gilt allzu oft die simple Vorgabe, dass man nur für oder gegen gegen die Regierung sein könne. Wer sich aus Sicht der Mächtigen für die zweite Option entscheidet, riskiert, dass er oder sie ausspioniert, bedroht oder gar ermordet wird. Dina Meza hat der Fall ihres eigenen Bruders wachgerüttelt.
Der verschwand im Juni 1986 spurlos und wurde dann Wochen später lebend, aber mit schweren Folterspuren, von der Armee als vermeintlicher Guerillero präsentiert. Nicht nur im vom Bürgerkrieg geprägten Guatemala und El Salvador agierten Todesschwadronen in Kooperation mit der Armee. „Damals habe ich begonnen, Fragen zu stellen“, sagt Dina Meza. Fragen, die sie immer wieder in Lebensgefahr brachten – in Tegucigalpa, aber auch im Bajo Aguán, wo paramilitärische Kommandos agieren. 96 Bauern mussten in der landwirtschaftlich attraktiven Region in den letzten Jahren sterben. Dorthin hat Dina Meza im Frühjahr 2012 eine internationale Beobachterdelegation begleitet. Kurz darauf erhielt sie die erste Morddrohung per Telefon.
Seitdem musste sie die Wohnung wechseln, Leibwächter engagieren und sich um die Sicherheit ihrer drei Kinder kümmern, die derzeit bei Verwandten untergebracht sind. Das Stipendium an der Universität von York kam für sie genau zum richtigen Zeitpunkt.
Danach will Dina Meza zurück nach Tegucigalpa und für faire Präsidentschaftswahlen kämpfen. Gewählt wird im November. 5,2 Millionen Wahlberechtigte sollen dann entscheiden, ob die Ehefrau von Expräsident Manuel Zelaya, Xiomara Castro, in die Fußstapfen ihres Mannes tritt. „Es kann nicht sein, dass eine Clique von Familien ein Land mit acht Millionen Einwohnern in ihren Privatbesitz überführt“, sagt Dina Meza. Ihre Auszeit von der Gefahr endet Anfang Mai.