: Grotesk und absurd
Hamburger Theatergruppe „Meine Damen und Herren“ zeigt Ernst Jandls „Idyllen“ auf Kampnagel
von Christine Schams
Obacht: Mit dem lustigen Reimemacher des hopsenden Mops‘ Otto oder dem skurrilen Wortverdreher, vor dem „lechts“ und „rinks“ nicht sicher waren, hat Ernst Jandl in seinem späten Gedichtband „Idyllen“ nicht mehr viel gemein. An den typisch Jandlschen „Sprachverhunzungen“ allerdings, wie bereits sein erstes Werk in den frühen 50er Jahren deklassiert wurde, mangelt es auch hier nicht.
Der 1989 erschienene Gedichtband „Idyllen“ ist Grundlage des gleichnamigen Stücks, das die Theatergruppe „Meine Damen und Herren“ noch heute und morgen auf Kampnagel aufführt. Und auch für „Idyllen“ konnte Regisseurin Adelheid Müther eine bekannte Mitwirkende engagieren: Isabella Vértes-Schütter, ehemalige Intendantin des Ernst-Deutsch-Theaters, lässt Textfragmente von Novalis mit Jandls Szenencollagen korrespondieren.
Das Ensemble mit Akteuren der Stiftung Alsterdorf, die Mitte der 90er Jahre gegründet wurde, formierte bis zum vergangenen Jahr noch unter dem Namen „Station 17-Theater“ und zeigte auf Kampnagel bereits unter anderem das Körpertheaterstück „Die vier Jahreszeiten“. Darin brachten die behinderten Darsteller Musik und teils eigene Texte zum Kreislauf über die Natur zusammen. In den „Idyllen“ gehen sie einen Schritt weiter: Sie verbinden die Stärke der Bilderwelt und die Kraft der Darstellung mit den unterschiedlichen Möglichkeiten des sprachlichen Ausdrucks zu einer Bild-Text-Performance.
Und was eignet sich dafür besser als die Gedichte des Österreichers Ernst Jandl? Zu den wesentlichen Elementen der Poesie des für seine Sprechgedichte bekannt gewordenen Jandl gehörte stets die Stimme – ob in formal traditioneller oder experimenteller Lyrik. Röchelnd, schnaufend und gurgelnd stieß Jandl seine Texte in Lesungen hervor und ließ damit das Gesagte wieder körperlich werden. Und um den Körper geht auch in den „Idyllen“: „es stinkt der Mensch, solang er lebt / aus arschloch, mund und genital.“ Distanziert von der ursprünglichen Bedeutung des Wortes Idylle, grotesk, überzeichnet und absurd – und gerade deshalb prädestiniert für kraftvolle Szenen auf der Bühne.
Do+Fr, 22.+23.12., 20.30 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20