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Archiv-Artikel

Die einsamen Highlights

Das Besondere an Düsseldorfs Kulturszene: Es gibt sie eigentlich nicht. Die Opernfans lassen das Theater, Galeristen die Museen links liegen. Und doch florieren die Kulturstätten

Die Stadt identifiziert sich über die bildende Kunst, über ihre angesehenen Museen – trotzdem ist der Aquazoo die meistbesuchte Attraktion der LandeshauptstadtEnde März wird die Rheinoper in das „RheinOperMobil“ umziehen, einen eigens errichteten Bau, der an das Shakespear‘sche Globe-Theater erinnert

von REGINE MÜLLER

„Kulturstadt Düsseldorf“ nennt sich die Landeshauptstadt auf ihrer offiziellen Webseite. Dabei interessiert sich Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) wenig für Kultur und macht daraus keinen Hehl. Sport und Event sind seine Welt, Großbauten sein Ehrgeiz. Nicht umsonst heißt die neue LTU-Arena heimlich bereits „Erwineum“. Machtmensch Erwin weiß jedoch um den Standortfaktor Kultur und knausert nicht, im Gegenteil. Dennoch war das Verhältnis zwischen dem ehemaligen Kulturdezernenten Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff und dem Stadtchef stets höchst angespannt. Nun ist Erwin Grosse-Brockhoff los, weil dieser Rüttgers Kulturstaatssekretär wurde. Böse Zungen behaupten, Rüttgers habe ihn genau wegen seiner Steherqualitäten gegenüber Erwin geholt.

Das Besondere an Düsseldorfs Kulturszene ist, dass es sie eigentlich nicht gibt. Von Ausnahmen abgesehen gilt: Die Theatergänger gehen nicht zu Vernissagen, die Operngänger nicht ins Theater, Abonnenten nicht zum beliebten Altstadtherbst-Festival. Es gibt keine Düsseldorfer Kulturschickeria, die auf allen Hochzeiten tanzt. Man lebt nebeneinander her.

Die Rheinoper, in fünfzigjähriger Theaterehe mit Duisburg verbandelt, hat jüngst mit der Produktion von Berlioz‘ „Les Troyens“ in der Regie von Christof Loy ihre Leistungsfähigkeit in beiden Städten unter Beweis gestellt. Ästhetische Wagnisse geht die Oper unter der bald zehnjährigen Intendanz von Tobias Richter schon länger nicht ein, dafür ist die Auslastung mit mehr als 80 Prozent stabil auf hohem Niveau. Während der anstehenden Grundsanierung ab März 2006 wird die Oper in das „RheinOperMobil“ umziehen, einen eigens errichteten Bau, der an das Shakespearsche Globe-Theater erinnert. Auch hier investiert die Stadt.

Das Schauspielhaus hat in Anna Badoras letzter Spielzeit mit Jürgen Goschs furiosem „Macbeth“ einen Höhepunkt bereits hinter sich, die erneute Einladung zum Berliner Theatertreffen scheint sicher. Dem Spielplan in seinem Nebeneinander von künstlerischem Wagnis und Hausmannskost könnte man unterstellen, eine kühle Mischkalkulation von schwer und leicht zu sein. Die kommende Intendantin Amelie Niermeyer wird es nicht leicht haben, Badoras eingespieltes Team zu ersetzen, zumal sie die meisten der außerordentlichen Schauspieler nicht übernimmt.

Als Flaggschiff der freien Szene hat sich das FFT zwar etabliert, tut sich aber nicht sonderlich hervor. Kleinere und kleinste Theater nähren sich redlich, in der gehobenen Kleinkunst ist das Savoytheater nicht mehr wegzudenken.

Die Neue Musik hat bessere Zeiten gesehen in Düsseldorf, seit die Musikfabrik NRW nach Köln abwanderte, scheint die Luft raus zu sein. Kein Ruhmesblatt für die Landeshauptstadt. Diesen Punkt muss man an Köln abgeben, auch in der Alten Musik hat Köln die Nase noch deutlich vorn. Ohne die Sogkraft des WDR sähe dies freilich in beiden Fällen anders aus. Trotz großer musikalischer Vergangenheit, trotz Schumann und Mendelssohn, Düsseldorfs Musikleben ist ein Paralleluniversum.

Obwohl die Tonhalle in optisch und akustisch erneuerter Schönheit erstrahlt, obwohl große Ensembles gastieren, obwohl Intendantin Vera van Hazebrouck durch mutige Kampagnen (Ich bin ein DüSy!“) die Symphoniker einem Image-Lifting unterzog, identifiziert die Stadt sich kulturell über die Bildende Kunst. Erklärtermaßen lag sie dem Kulturdezernenten Grosse-Brockhoff mehr am Herzen als alles andere: aus der Kunstsammlung NRW wurde K20, erweitert um die Sammlung aktueller Kunst im Ständehaus, jetzt K21 genannt. Die laufende Matisse-Ausstellung (K20) hat bereits 110.000 Besucher angelockt, beide Häuser zusammen konnten seit 2002 ihre Besucherzahlen fast verdoppeln. Das Lieblingskind Grosse-Brockhoffs war das erste deutsche Public-Private-Partnership-Projekt großen Stils, das im Museum Kunstpalast mit dem e.on-Konzern verwirklicht wurde. Nach glanzvollem Start und tollen Zahlen flaute der Boom 2005 etwas ab. Hinter den Kulissen soll es rumoren, auch ist die Kritik an dem Abhängigkeits-Modell nie ganz verstummt, doch wird man eine Bilanz erst in einigen Jahren ziehen können. Das nächste Jahr verspricht mit Caravaggio und Zero wiederum Großes.

Gegenüber von K20 pflegt die Kunsthalle unter der Leitung von Ulrike Groos einen klugen Kurs abseits ausgetretener Pfade, im Stadtmuseum dagegen geht Chefin Susanne Anna bei der fälligen Umgestaltung recht grob zu Werke. In der reichen Galerien-Szene gab es Abwanderungen, erst nach Köln, dann nach Berlin, aber im Szene-Multi-Kulti-Stadtteil Flingern macht beinahe jede Woche eine neue Galerie auf.

Die Kunstakademie strahlt zwar gehörig Energie ab – alljährlich schieben sich mehr Besucher durch den „Rundgang“ –, doch die Strahlung ist diffus. Die Selbstinszenierung ihres Rektors Markus Lüpertz als genialischer Malerfürst echot mehr in der lokalen Gastro-Szene als dass von der Akademie weitreichende Impulse ausgingen.

Kaum zu glauben, aber nächstes Jahr legt Düsseldorf nochmals Investitionen nach. Für die erste „Quadriennale“ 2006 macht die Stadt fünf Millionen Euro locker, alle großen Häuser beteiligen sich an der Mega-Show rund um das Thema „Körper“. Unter anderem werden Caravaggio und Francis Bacon zu sehen sein, zudem wird erstmals der „Kunstpreis der Landeshauptstadt“ in Höhe von 55.000 Euro vergeben. Klotzen statt Kleckern gilt auch für das zweite Großereignis des Jahres, das Sparten übergreifende Projekt zum 150. Todesjahr von Heinrich Heine und Robert Schumann. Im Mai startet das Schumannfest, bereits im Februar wird das Heine-Geburtshaus unter der Ägide der Buchhandlung „Literatur bei Müller“ mit einem Lesungsmarathon wieder eröffnet.

Was gibt‘s noch in Düsseldorf? Jede Menge: das NRW-Forum, das zakk, den Malkasten, die Toten Hosen, mehrere Boulevard-Theater, das Literaturbüro, das Goethe-Museum, das Hetjens-Museum, über 100 Chöre, das „Capitol“-Theater für Musical, das Heine-Institut, das Filmmuseum und das meist besuchte städtische Institut, das unter „Kultur“ firmiert: den Aquazoo.