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Archiv-Artikel

Kampf um Dignitas

Der Sterbehilfe-Verein spaltet weiter die Koalition in Hannover. Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen ein

Niedersachsens Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU) bleibt hart. Im Kampf gegen den umstrittenen Sterbehilfe-Verein „Dignitas“ will die Ministerin im Januar einen Gesetzentwurf vorlegen, der die „geschäftsmäßige Vermittlung“ von Sterbehilfe unter Strafe stellt – und das, obwohl der Koalitionspartner FDP starke Zweifel angemeldet hat.

„Es ist nicht auszuschließen, dass wir die Initiative stoppen“, sagte FDP-Fraktionschef Philipp Rösler. Zwar habe auch die FDP Bedenken gegen Dignitas. Doch rechne er nicht damit, dass der Verein verboten werden könne.

Die Hannoversche Allgemeine Zeitung berichtete derweil am Samstag, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wegen Beihilfe zur Selbsttötung gegen Dignitas eingestellt hat. Weder die Vermittlung noch die Beihilfe zur Selbsttötung sei in Deutschland strafbar, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Die Eröffnung einer deutschen Dignitas-Filiale in Hannover (die taz nord berichtete) hatte eine Welle von Protesten bei Kirchen und Sozialverbänden ausgelöst. Wie Justizministerin Heister-Neumann befürchten sie, dass von der Vermittlung Tod bringender Medikamente auch labile Menschen mit Selbstmordgedanken vorschnell Gebrauch machen könnten.

Der Gründer und Generalsekretär von Dignitas, Ludwig A. Minelli, berichtete unterdessen, dass seine Organisation in Deutschland bislang rund 300 Mitglieder gewonnen habe. Pro Tag erreichten das Büro in Hannover rund 20 Anrufe oder Zuschriften. „Wir sind nicht überrascht über das riesige Interesse, es entspricht der Grundstimmung in der Bevölkerung“, sagte Minelli. Den Vorwurf der Geschäftemacherei wies er als „böswillige Verleumdung“ zurück. Sein Verein könne nur mit Mühe die Verwaltungskosten decken.

Über Dignitas können Menschen, die sich das Leben nehmen wollen, von einem Arzt ein tödliches Medikament bekommen. Rund 450 Personen, davon rund 250 aus Deutschland, haben seit 1998 auf diese Weise Selbstmord begangen. Dignitas war dabei immer wieder in die Schlagzeilen geraten. Zuletzt hatte die Organisation durch den Fall einer 69-jährige Arzthelferin aus Augsburg von sich reden gemacht (die taz nord berichtete). Der offenbar lebensmüden Frau war es nach Informationen des Schweizer Nachrichtenmagazins Facts gelungen, mit Hilfe eines falschen Attestes die Dienste von Dignitas in Anspruch zu nehmen. Wie in den anderen Fällen auch war die Frau zum Sterben in die Schweiz gereist. Aufgrund standesrechtlicher Bestimmungen dürfen Ärzte in Deutschland keine Beihilfe zum Selbstmord leisten. TAZ/ DPA