Im iPhone nichts Neues

MULTIMEDIA Im Streit über eine iPhone-App der „Tagesschau“ übersehen viele: Die ARD ist mobil längst präsent. Das geplante Programm bereitet Bestehendes bloß anders auf

In der Themenvielfalt und Informationstiefe wird die „Tagesschau“-App vielen Konkurrenten unterlegen sein

VON DANIEL BOUHS

Am Dienstag drehte sich der anhaltende Streit über die Entwicklung einer iPhone-Application („App“) der „Tagesschau“ mal wieder ein wenig weiter. Der Rundfunkrat des WDR empfahl, mit der Entwicklung eines „Tagesschau“-Miniprogramms für das iPhone („App“) noch ein wenig zu warten – bis die noch laufende Prüfung der Online-Präsenz von ARD und ZDF durch ist.

Lässt sich da mancher Rundfunkrat etwa vom Gehabe der Zeitungsverleger beeindrucken? Seit Wochen wettern die Blätter des Axel-Springer-Verlags gegen die Präsenz der Öffentlich-Rechtlichen in der multimedialen Welt, titelten gegen den „GEZ-Wahnsinn“ und sammelten Politikerstimmen, die sich gegen gebührenfinanzierte Mobilprogramme aussprachen.

Die Motivation dafür ist offensichtlich: Bild und Welt bieten seit Dezember eigene kostenpflichtige Apps an. Erst vor wenigen Tagen jubilierte der Konzern, seitdem mehr als 100.000 seiner Apps an die iPhone-Gemeinde gebracht zu haben. Auch wenn offen ist, wie viele Nutzer dabei bleiben, wenn sie nach dem Testzeitraum für die Inhalte noch etwas mehr zahlen müssen, zeigt diese Entwicklung: Der Verkauf von durchdacht aufbereiteten Inhalten für die immer mobilere Bevölkerung hat Potenzial.

Und auch seriöse Titel beteiligen sich an der Schlammschlacht. Die Süddeutsche Zeitung warf der ARD beiläufig eine „hemmungslose Digitaloffensive“ vor, ging aber fast gleichzeitig selbst mit einer „SZ Gold“-App auf den Markt – Meinungsmache im kleinen Stil.

Bloß: Wofür das Ganze? Wer die Chance hat, sich in der Redaktion von „ARD-aktuell“ die „Tagesschau“-App anzusehen, kann feststellen: Das Programm wird keine Revolution sein, sondern lediglich ein Service am Gebührenzahler. Der muss neben der Nutzung von TV und Radio ohnehin auch für „neuartige Empfangsgeräte“ zahlen. Ist es angesichts einer Millionen deutscher iPhone-Nutzer nicht legitim, dass die „Tagesschau“ die Darstellung ihrer Webseite für das iPhone optimiert?

Das Programm, das bisher nur auf Skizzen existiert, sieht ausschließlich Inhalte vor, die schon heute jeder im Netz abrufen kann – und zwar auch mit einem Web-Browser auf modernen Handys. Die Inhalte sind identisch mit den etwa 20 Meldungen, die auf tagesschau.de pro Tag verbreitet werden. In puncto Themenvielfalt und Informationstiefe wird die „Tagesschau“-App vielen Konkurrenten weit unterlegen sein.

Auch die Videoeinbindung deckt sich mit dem bestehenden Angebot. Wie auf tagesschau.de sollen sich Beiträge und Sendungen abrufen lassen, vom Tage und aus dem Archiv. Dazu kommt die Möglichkeit, „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ live auf dem iPhone zu sehen – was ebenfalls schon heute via tagesschau.de möglich ist. Das gilt auch für die Überlegung, die Info-Radios der ARD als Liveabruf in die App einzubinden.

Wer diesen App-Entwurf kritisiert, der kommt eh viel zu spät: WDR, NDR, MDR, SWR und Deutschlandradio sind teilweise bereits seit Monaten mit eigenen Apps am Start. Und die Deutsche Welle bietet für iPhone-Nutzer neben Text- und Radionachrichten schon heute TV-Beiträge auf Fingerdruck an. Letztlich ist der ganze Aufstand also nur eine riesige Werbung. Für den iPhone-Produzenten Apple, aber nicht zuletzt auch für die „Tagesschau“. Der Streit geht für die beteiligten Verlage folglich nach hinten los.