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Archiv-Artikel

Kein Satan ohne einen kleinen Engel

In den Farben des Regenbogens: Das Museum Ludwig in Koblenz stellt iranische Künstlerinnen vor, unter denen die Malerin Farah Ossouli besonders auffällt. Den ornamentalen und literarischen Stil der Miniaturmalerei erweitert sie in großformatigen Bildern um zeitgenössische Deutungen

VON URSULA WÖLL

Das Ludwig Museum in Koblenz, direkt gegenüber dem Deutschen Eck, bietet bis 20. Januar den angenehmsten Kontrast zu dem wuchtigen Kaiserdenkmal vor seiner Haustür. Es zeigt, unterstützt durch das Museum of Contemporary Art in Teheran, mehr als 50 Gouachen der 52-jährigen Iranerin Farah Ossouli. Und die orientieren sich, ungeachtet ihres großen Formats, unverkennbar an der klassischen persischen Miniaturmalerei.

„Die iranischen Künstlerinnen und Künstler sind geborene Dekorateure. Sie haben immer die metaphorische Schönheit der Porträtierung vorgezogen“, schreibt Farah Ossouli. Verlockend sind ihre Miniaturen vor allem durch die Leuchtkraft der Farben. Mit feinstem Pinsel kombiniert sie diese immer wieder neu und malt ihre Figuren in klein gemusterten, bunten Kleidern, wie sie in den iranischen Dörfern und von den Nomaden getragen werden. Der geometrische Hintergrund kontrastiert dazu in vielfach variierten Geraden und Bögen.

Anders als auf alten Miniaturen, Teppichen oder Fliesen gibt es bei Farah Ossouli keine Angst vor der Leere. Sie setzt ihre Szenen in leere Flächen, deren milchige, monochrom changierende Farbe die Stimmung des Bildes grundiert. Dunkles Blau etwa steht für die Nacht.

Durch ihre gemalten Rahmen unterscheiden sich Ossoulis Arbeiten am augenfälligsten von ihren klassischen Vorbildern, die einst Handschriften illustrierten. Nicht nur das bis heute rezitierte Heldenepos „Schahnameh“ des 1020 gestorbenen Dichters Firdausi wurde immer wieder neu bebildert. Ihre erste Blüte erlebte die kostbare persische Miniaturkunst, als auch in Europa die Buchmalerei florierte und die spätmittelalterlichen Miniaturen des Codes Manesse dem Minnesang huldigten.

Farah Ossouli umgibt ihre Miniaturen mit gleich mehreren zarten Ornamentmustern in Blau-, Grün-, Rosa- oder Ockertönen. Sie bündeln die gegensätzlichen Elemente und führen zu den beachtlichen Bildformaten. Obwohl sie bei einer dekorativen Funktion ansetzen, weisen sie darüber hinaus: Sie können wie ein Echo der zunehmenden Vereinzelung und Isolation des Menschen gelesen werden, die auch im Iran zu beobachten ist. Seit je haben persische Künstler den Maulkorb in Phasen der Unterdrückung durch innere Traumwelten kompensiert.

Bekanntlich ließ sich Goethe zu seinem „West-östlichen Diwan“ durch die Liebeslyrik des 1389 gestorbene Dichter Hafiz aus Schiraz inspirieren. Auch Farah Ossouli setzt sich in ihrem poetischen Zyklus „Hafiz“ mit dessen Werk auseinander und treibt das Spiel der Verschleierungen und Andeutungen weiter, das sich in der persischen Kultur historisch ausbildete. Westliche Augen erkennen sicher nicht alle Feinheiten, gewinnen dafür aber an Interpretationsspielraum.

Die Malerin zeigt einen ins Lautenspiel vertieften Mann. Das hinter ihm lodernde Feuer symbolisiert seine Liebessehnsucht ebenso wie drei geflügelte Grazien mit zarten Chinesengesichtern, die am Himmel auftauchen. Sie schweben näher und wiegen sich im Tanz zur Musik, während weiße Tauben die Lüfte bevölkern und eine vierte engelsgleiche Frau seinem Lautenspiel lauscht. Im nächsten Bild werden die Flammen höher und drohen den Mann zu verbrennen. Zuletzt sind Mann und Frau mit hängenden Köpfen und gebrochenem Flügel wieder allein, durch eine Zypresse wie durch ein aufrechtes Schwert getrennt. Der Traum, durch Verschmelzung die existenzielle Einsamkeit aufzuheben, ist ausgeträumt.

Mit ihrem dreiteiligen Zyklus „Gut und Böse“ wendet sich Farah Ossouli gegen ein Denken in schroffen Gegensätzen und setzt anstelle des Entweder-oder ein Sowohl-als-auch. Das Motiv entnahm sie der Mythologie, in der der göttliche Ahuramasda mit dem teuflischen Ahriman kämpft. Die Malerin gesellt dem Satan einen kleinen Engel zu, dem Gott aber einen kleinen Teufel. Denn Licht und Dunkel sind nicht zu trennen – in dieser Erkenntnis steckt auch die Forderung nach Toleranz. Es scheint dies eine Botschaft jüngerer Zeit zu sein, die Ossoulis Malerei der Empfindsamkeit eine politische Stoßrichtung gibt. Metaphorische Geschichten reizen dazu, sie in der Realität zu erden.

Da geht man in der Interpretation einer Frau mit dem obligaten Porzellangesicht, das an die chinesischen Einflüsse in der traditionellen Malerei erinnert, am wenigsten fehl. Sie drückt zwei Kinder mit Engelsflügelchen liebevoll an ihre bunten Gewänder, während sie gleichzeitig mit Pinsel und Bogen hantiert. So schlicht stellt Farah Ossouli sich selbst als Mutter und Künstlerin dar. Auf dem Papier, das vor ihr liegt, entsteht eine Zypresse, obwohl man durch das Fenster hinter ihrem Rücken auf einen Laubbaum sieht. Ein Hinweis auf die Tendenz der persischen Kunst, sich in die Welt des Imaginären zu vertiefen.

Farah Ossouli ist Mitbegründerin der Künstlerinnen-Vereinigung DENA, die neben ihr in Koblenz ausstellt. DENA sucht vor allem nach einer größeren Öffentlichkeit für die zwölf Malerinnen, was ihnen mit zahlreichen Gruppenausstellungen im Iran und im Ausland auch gelang. Ihre Arbeiten sind sehenswert, den westlichen Sehgewohnheiten aber auch viel geläufiger als die bemerkenswerten Miniaturen der Farah Ossouli.

DENA und Farah Ossouli, Ludwig Museum Koblenz, bis 20. Januar 2006