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Archiv-Artikel

„Man muss da einen Schalter umlegen“

INTERDISZIPLINÄR Eine Co-Mediation bringt zusammen, was ansonsten getrennt wird. Ein Gespräch über Allparteilichkeit und die Grenzen zwischen Mediator und Anwalt, Mediation, Coaching – und Psychotherapie

Doris Strozny, 49 und Ulrike Kohls, 36

■ aus Bremen sind Mediatorinnen. Ulrike Kohls ist zudem Rechtsanwältin, Doris Strozny Steuerfachangestellte, Heilpraktikerin für Psychotherapie und Coach.

INTERVIEW JAN ZIER

taz: Sie mediieren zusammen als Heilpraktikerin für Psychotherapie und Anwältin. Warum?

Ulrike Kohls: Die Mediation ist ein strukturierter Gesprächsprozess zur gemeinsamen, eigenverantwortlichen Lösungsfindung. Wenn ein Streit schon länger andauert, kann es für die Streitenden sehr schwierig sein, sich überhaupt die Sichtweise des anderen anzuhören. Da können Emotionen hochkochen und die interdisziplinäre Zusammenarbeit des Mediatorinnenteams kann vorteilhaft sein.

Gibt es nicht gerade in der Wirtschaft noch starke Vorbehalte gegenüber der Mediation?

Doris Strozny: Nein, auch dort besteht inzwischen eine Offenheit für diese Form der Konfliktlösung, zum Beispiel bei Streitigkeiten unter Gesellschaftern oder in Teams. Frau Kohls und ich sind daher zum Beispiel auch bei der Mediationsstelle der Handelskammer Hamburg gelistet.

Wie sieht so eine Co-Mediation konkret aus?

Kohls: Nehmen wir mal den Fall einer Künstlerin und eines Veranstalters. Beide arbeiteten seit langem kontinuierlich zusammen und waren uneins, ob das Honorar angepasst werden sollte. Ein simples Thema, das in einen Konflikt ausartete. Die Veranstaltung stand auf der Kippe. Da ist die Frage, wie es dazu kam, dass die beiden kaum noch miteinander gesprochen haben. Um sie im Rahmen einer Mediation zu beantworten, bedarf es der freiwilligen Teilnahme beider Parteien. Wir schaffen dann den Rahmen, damit die Streitenden miteinander ins Gespräch kommen können. In diesem Fall ging es um die gegenseitige Wertschätzung. Am Ende haben sie eine für beide stimmige Honorarerhöhung sowie andere Kommunikationsregeln und regelmäßigere Treffen vereinbart. Inzwischen arbeiten sie nicht mehr zusammen, sind aber friedvoll auseinander gegangen.

Wo war Ihr Anteil, Frau Strozny?

Strozny: Ich habe gerade bei der Aussprache zum Thema Wertschätzung den Gesprächsverlauf der Mediation unterstützt und die Parteien konnten ihre hinter dem Konflikt liegenden Interessen zum Ausdruck bringen.

War das dann Coaching?

Strozny: Nein. Wenn ich im Rahmen meiner Tätigkeit als Coach den Eindruck gewinnen, eine Mediation könnte sinnvoll sein, dann rege ich dies an, kann die Mediation dann jedoch nicht selbst durchführen, da ansonsten die erforderliche Allparteilichkeit nicht gewahrt wäre.

Frau Kohls, Sie sind Mediatorin, aber auch Anwältin ...

Kohls: Auch für mich gilt, dass ich – wenn ich bereits als Anwältin in einem Fall tätig geworden bin – in diesem Fall nicht als Mediatorin tätig werden darf. Denn als Mediatorin bin ich allparteilich, als Anwältin ist es meine Aufgabe, parteilich zu beraten und Ansprüche durchzusetzen. Deswegen darf ich in die Mediation nur allgemeine Rechtshinweise einfließen lassen.

Strozny: Allparteilichkeit und Vertrauen sind sehr wichtig – da muss man sehr vorsichtig sein.

Anwaltschaft und Mediation sind diametral verschieden. Wie geht das zusammen?

Kohls: Meinen Sie in Bezug auf die Allparteilichkeit? Man muss da als Anwältin einen Schalter umlegen. Mich persönlich erfüllt bei der Arbeit als Mediatorin, dass Konflikte gerade nicht nach dem Gewinner-Verlierer-Prinzip ausgefochten werden.

Aber die Gerichte haben auch das Verständnis, allparteilich zu sein und Frieden zu schaffen.

Kohls: Ja, der Unterschied im Zivilprozess zur Mediation liegt allerdings darin, dass es im Zivilprozess darum geht, einen Anspruch durchzusetzen – den man beweisen können muss, sonst hat man verloren. Aber nicht jeder Konflikt ist für eine Mediation geeignet, die Eignung müssen wir vor dem Mediationsverfahren abklären. Häufig finden Mediationen dort statt, wo Menschen eine dauerhafte Beziehung anstreben.

Strozny: Die Nachhaltigkeit einer Lösung, die man selbst erarbeitet hat, kann größer sein als die eines Gerichtsurteils.

Und die Mediation muss man selbst zahlen, den Prozess nicht – wenn man gewonnen hat.

Kohls: Nicht unbedingt. Rechtsschutzversicherungen zeigen sich bei der Übernahme der Mediationskosten immer offener.