: Kafka musste auch lachen
TRAUMARBEIT Erheiternde Momente: Antonio Fians Buch „Im Schlaf“
Was ist von einem Autor zu halten, der seine Träume aufschreibt und daraus ein Buch macht; ja, fällt dem Mann denn nichts Besseres ein? Skeptisch und nicht ganz neidlos nimmt man außerdem die schiere Menge an Texten wahr, die Antonio Fians Buch „Im Schlaf“ konstituieren. Zwar sind sie alle sehr kurz, aber dennoch: Wie lange schläft der eigentlich, dass er so viel träumen kann? Misstrauisch gefragt: Sind die alle echt?
Natürlich ist die Frage fehl am Platz. In dem Moment, in dem der Traum schriftlich fixiert wird, ist er ja ohnehin kein Traum mehr, sondern ein Text. Und natürlich geht es dem Herrn Fian, wenn er auch ein geübter Träumeaufschreiber sein mag, nicht anders als anderen Menschen, darin nämlich, dass Träume selten eine zusammenhängende narrative Struktur haben. Wenn man aber im wachen Leben ein berufsmäßiger Geschichtenerzähler ist, so tut das Hirn des Geträumthabenden im Moment des Traumfixierens wohl das, was es sonst immer tut, und konstruiert aus den Traumfragmenten ganz automatisch eine Geschichte. Und dass die Fian’schen Traumstückchen überhaupt für andere Leute lesenswert sind, liegt beileibe nicht in erster Linie am Inhalt dieser Träume (obwohl unter anderem Elfriede Jelinek einen Striptease macht), sondern an der Manier ihres Aufgeschriebenwordenseins.
Ihrem Tonfall nach sind diese miniatürlichen Prosastücke Erzählungen wie andere auch. Dass aber gleichzeitig Dinge in ihnen geschehen, die aller Erfahrung nach in der Welt da draußen eben nicht geschehen, Gestus und Inhalt somit auf ungewohnte Weise auseinanderklaffen, hat auf die Leserin dieselbe Wirkung, wie sie das laute Vorlesen seiner eigenen Texte oft auf Franz Kafka gehabt haben soll: Man muss lachen. Da die Texte meist nur etwa eine halbe Seite lang sind, weist das Bändchen eine außergewöhnliche hohe Dichte von erheiternden Momenten auf.
Das Eigenartige aber ist, dass kaum eines dieser Prosastückchen es schafft, einem länger im Gedächtnis zu bleiben. Man kann das Buch wochenlang beiseite legen, um es anschließend mit ebenso großem Vergnügen wieder von vorn zu lesen. Darin zeigt sich, dass sich wohl doch recht viel vom echt Traumhaften im Textlichen erhalten hat.
Der kürzeste Text trägt übrigens den Titel „Lektüre“ und geht so: „Ich las, Seite für Seite, einen Kriminalroman mit dem Titel ‚Stromausfall in der Städtischen Bücherei‘. Langweilig.“KATHARINA GRANZIN
Antonio Fian: „Im Schlaf“. Droschl Verlag, Graz 2009. 105 Seiten, 16 Euro