Der Rauch-Melder

GESUNDHEIT Wenn Kippen brennen, wo es verboten ist, oder die Tabaklobby Politiker sponsert, ist Johannes Spatz nicht mehr weit: Berlins bekanntester Nichtraucherschützer

■ Heute veranstaltet die Körber-Stiftung in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft den „Salon Junge Wissenschaft“ und fragt: „Integration durch Einbürgerung?“ Klingt gut – aber das Forum Rauchfrei weist darauf hin, dass die Körber AG alleinige Inhaberin der Hauni AG ist, dem weltweiten Marktführer bei Maschinen für die Zigarettenproduktion. Etwa 40 Prozent ihres Umsatzes erziele die vom Nazi und Waffenfabrikanten Kurt A. Körber gegründete Körber AG damit. Das Forum Rauchfrei fordert: „Zeigen Sie gesellschaftliche Verantwortung und meiden Sie die Veranstaltungen der Körber-Stiftung!“

VON MALENE GÜRGEN

Gerade haben sie Claudia Nothelle im Visier. Johannes Spatz und seine MitstreiterInnen von der Initiative „Forum Rauchfrei“ attackieren die RBB-Programmchefin, die im Ehrenamt dem Kuratorium der Krebshilfe Berlin vorsitzt. Kürzlich hat Nothelle als Jurymitglied den „Liberty Award“ für Auslandskorrespondenten überreicht. Das Problem dabei: Der Preis wird vom Reemtsma-Konzern gestiftet, dem zweitgrößten Anbieter auf dem deutschen Tabakmarkt. Krebshilfe und Zigaretten? Für Johannes Spatz geht das gar nicht zusammen. Er hat offene Briefe geschrieben, eine Pressemitteilung, einen Kommentar. Der Fall ist in der Welt. Dem Siebzigjährigen ist die Freude anzumerken, dass er es wieder einmal geschafft hat, ein in seinen Augen skandalöses Ereignis öffentlich zu machen.

Dass ihm seine Tätigkeit als Berlins bekanntester Nichtraucherlobbyist oft großen Spaß macht, sagt Spatz selbst. „Sonst könnte ich das doch alles gar nicht machen.“ Wenn er von seinen Erfolgen der letzten Jahrzehnte erzählt, wie er Unternehmen anzeigt, Politiker vorführt, Unterschriften sammelt und zu Demos mobilisiert, wie er schon in den Achtzigern als Gesundheitsstadtrat das Gesundheitsamt in Wilmersdorf zur rauchfreien Zone machte und sich später für das – mittlerweile bundesweit geltende – Rauchverbot an Schulen einsetzte, wie er hartnäckig und unermüdlich gegen die Tabaksucht kämpft, dann lacht er immer wieder vergnügt über die eigenen Erfolge. Aber ist es nicht manchmal frustrierend, gegen einen so mächtigen Gegner wie die Tabaklobby, gegen eine so verbreitete Sucht wie das Rauchen zu kämpfen? Spatz verneint entschieden. Er sei Optimist, sagt er. Und kann mit einigen Zahlen zum stetig sinkenden Raucheranteil unter Jugendlichen aufwarten.

Auch wenn Spatz an seiner Tätigkeit Freude hat: Es ist ihm sehr ernst damit. Der Kampf gegen das Rauchen ist über die Jahre zu seinem Lebensthema geworden. Als junger Mensch wunderte er sich in seiner Arztausbildung darüber, dass das Thema Rauchen eine derart geringe Rolle bei der Gesundheitsvorsorge spielte. Gleichzeitig schloss sich Spatz, der junge Arzt aus bürgerlichem Haus, der Anti-Vietnamkriegs-Bewegung an und war später in einer maoistischen Gruppe aktiv. „Aus jetziger Sicht war das alles viel zu autoritär und kaderhaft“, sagt Spatz, für die erfahrene Politisierung sei er dennoch dankbar. Heute engagiert er sich bei den Grünen.

Politisch ist Spatz jedenfalls immer gewesen, auch im Arbeitsleben. Als Entwicklungshelfer ging er auf die Kapverden und gründete eine Organisation, die Ärzte nach Nicaragua entsandte. „Mich hat schon immer am meisten die soziale Dimension von Gesundheit interessiert, die Frage danach, wie Kapitalismus krank macht.“ Auch sein Engagement gegen das Rauchen sieht er in diesem Zusammenhang: Zum einen sei Tabaksucht in Deutschland in der sogenannten Unterschicht besonders verbreitet. Zum anderen betrachtet er die Tabakkonzerne mit all ihrer Lobbyarbeit als „Spitze eines kapitalistischen Eisbergs“.

Die Freiheit des anderen

Ob es nicht manchmal auch problematisch sei für ihn als Alt-Achtundsechziger, immer wieder für mehr Verbote, mehr Kontrolle, mehr Restriktionen zu kämpfen? Ja, sagt Spatz, kritisiert aber gleichzeitig, dass viele RaucherInnen einem falsch verstandenen Freiheitsbegriff zum Opfer fielen: Die Tabakwerbung habe es geschafft, das Rauchen als freiheitlichen Akt zu verkaufen. Dabei höre die eigene Freiheit bekanntlich dort auf, wo die Freiheit des anderen anfange – die des Nichtrauchers etwa. Und außerdem: „Mit der Freiheit ist doch spätestens dann Schluss, wenn die Sucht anfängt.“

„Mich hat schon immer am meisten die soziale Dimension von Gesundheit interessiert“

JOHANNES SPATZ, NICHTRAUCHERSCHÜTZER

Dass er gerade das Rauchen unter allen gesundheitsrelevanten Themen für sich entdeckt hat, ist für Johannes Spatz der einzig logische Schluss aus seinem Engagement. Tabakkonsum ist die häufigste vermeidbare Todesursache der Welt und damit aus seiner Sicht das am dringendsten zu bearbeitende Feld der Gesundheitsvorsorge. Aber seine prinzipielle Forderung nach einer Verbindung von Ethik und Gesundheit begründet er auch biografisch: Sein Vater, der Hirnforscher Hugo Spatz, leitete in den 30er und 40er Jahren in Buch das Kaiser-Wilhelm-Institut (heute: Max-Planck-Institut) für Hirnforschung. Gemeinsam mit seinem Kollegen Julius Hallervorden untersuchte er Gehirne von Opfern des Euthanasie-Programms der Nationalsozialisten. Im Verlauf dieses Programms wurden fast 200.000 Psychiatriepatienten allein in Deutschland ermordet, ihre Organe wurden oft zu Untersuchungszwecken verwendet. Spatz und Hallervorden, sezierten zwischen 1940 und 1945 rund 700 Gehirne, die meisten von toten Kindern.

Johannes Spatz erzählt, er habe davon erst in den 80er Jahren erfahren, als er bei einer Veranstaltung auf Götz Aly traf, der die Herkunft der „Sammlung Hallervorden“ recherchiert hatte. „In meiner Familie ist das nie ein Thema gewesen, da wurde einfach nicht drüber gesprochen“, sagt Spatz. Als er seine Mutter damit konfrontierte – der Vater war zu diesem Zeitpunkt bereits gestorben –, habe diese argumentiert, ihr Mann sei nicht für die Herkunft der Präparate verantwortlich gewesen.

Die Lektion, dass Medizin und Ethik nie getrennt sein dürfen, begleitet Spatz seither durch sein Leben. Manchmal wirkt sein Engagement verbissen, als gönne er den Menschen die Alltagsfreude einer Zigarette nicht, manchmal vielleicht auch weltfremd, wenn er und seine MitstreiterInnen regelmäßig Berliner Kneipen für ihre Verstöße gegen das Rauchverbot anprangern. Trotzdem nimmt man ihm ab, dass ihn weder eine persönliche Fehde gegen RaucherInnen noch generelle Lustfeindlichkeit antreibt. Sondern dass er tut, was ihm angesichts seines Gewissens als Arzt und Mensch angemessen erscheint.