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Archiv-Artikel

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Den Guckkasten hat das Theater ja schon lange gesprengt. Aber inzwischen haben sich Theaterformen gebildet, die überhaupt nicht mehr auf ein Gebäude namens Theater angewiesen sind – sondern die Stadt selbst zur Bühne machen. Das Kollektiv Rimini Protokoll gehört zu den Vorreitern dieser Entwicklung. Unvergessen das Stasi-Hörstück „50 Aktenkilometer“, in dem man mit Hilfe von GPS und digitalen Aufnahmetechniken eine Zeitreise durch Berlin unternehmen konnte. „Remote Berlin“ geht nun noch ein bisschen weiter. Wieder werden die Leute am Start mit GPS, Kopfhörern und Soundfileträgern ausgestattet und in die Stadt geschickt, die sich langsam in ein Spielfeld verwandelt. Die Leute – oder wie man diese Menschen, die einst „Zuschauer“ hießen, überhaupt noch nennen soll, wenn sie gar nicht mehr zuschauen, sondern selbst zu Mitspielern geworden sind: Zuspieler vielleicht? Diese Zuspieler also werden dann selber zu Akteuren eines Real-Life-Games. (HAU: „Remote Berlin“, ab 24.4. 17.30 Uhr).

Und so, wie sich das Theater immer weiter verändert, weil Medien und Digitalisierung immer neue Formen und Räume generieren, hat sich längst auch das Künstlerbild gewandelt. Aus dem Genie von einst, das irgendwo im Elfenbeinturm seine Kunst produzierte und dann dem Volke wie ein neues Evangelium schenkte, ist längst eine Figur geworden, die sich auf dem Markt behaupten können muss: Fördergelder akquirieren, Selbstmarketing betreiben, damit das Volk überhaupt davon erfährt, dass so ein Künstler überhaupt existiert. Das Künstlerbild im Wandel ist Thema einer Konferenz, die am 18. April in der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ stattfindet, „Künstlerbild heute und morgen“. Denn längst haben Managementbegriffe wie Employability oder Kompetenzorientierung Einzug in die Kunsthochschulen gehalten. Ist das ein Fortschritt oder frisst der Neoliberalismus nun auch den Überbau von Kunst und Kultur? (HfS „Ernst Busch“ Standort Parkaue: Die Konferenz: „Künstlerbild heute und morgen“. 18.4., 9.30 Uhr – 17.30 Uhr)

Dass die Durchdringung aller Lebensbereiche durch die Wirtschaft am Ende aus Menschen Wölfe macht, das war schon so, als das Ganze noch nicht Neoliberalismus hieß. In dem Roman „Wolf unter Wölfen“ hat Hans Fallada diesen Befund an einer Gruppe von Menschen durchgespielt, die alle in der Zeit der großen Wirtschaftskrise von 1923 in den Strudel der Zeit geraten und zumeist darin untergehen. Roger Vontobel hat den Stoff jetzt für das Deutsche Theater und unsere Zeit aufbereitet. (Deutsches Theater: „Wolf unter Wölfen“, ab 19.4., 19.30 Uhr)