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Archiv-Artikel

Das ganze Land auf Halbmast

Die taz nrw blickt zurück auf die schlechten und die besseren Hälften des Jahres 2005

Halber Wahlsieg

Seinen Wahlsieg konnte er durchaus als einen historischen betrachten: Nach fast vier Jahrzehnten für die Christdemokraten an Rhein und Ruhr trostlosen Jahrzehnten brachte CDU-Landeschef Jürgen Rüttgers sich und seine Partei endlich auf die Regierungsbank in Nordrhein-Westfalen. Mit stolzen 44,8 Prozent der Stimmen bei der Landtagswahl konnte der designierte Ministerpräsident am Tag nach dem Urnengang strotzen: „Der Vorsitzende der Arbeiterpartei in Nordrhein-Westfalen bin ich!“ Und Rüttgers war sich sicher: Die Union macht keine halben Sachen; was Düsseldorf vorgemacht hat, wird Berlin nachmachen. Doch seine Euphorie hielt nur ein halbes Jahr. Nicht nur, dass es anders als im Mai im Land im Oktober im Bund für eine schwarz-gelbe Koalition nicht reichte: Die CDU rutschte bei der Bundestagswahl auch noch mit 34,4 Prozent in NRW wieder – und zwar deutlich – hinter die SPD. PAB

Halbierte Macht

Im neuen NRW-Landeskabinett sind die Frauen nur halb vertreten: Nur jedeR neunte Abgeordnete in NRW ist weiblich. In Zahlen: zwölf Frauen, 89 Männer. Das ist die schlechteste Quote seit drei Jahrzehnten. Auch in der Ministerriege sitzen nur drei Frauen: Neben Wirtschaftsministerin Christa Thoben leitet Roswitha Müller-Piepenkötter das Justizressort, die ehemalige Barbara Sommer das Bildungsressort. Nur das schlechte Wahlergebnis konnte die Geschlechtermischung bei der SPD retten: Überraschend viele Plätze auf der quotierten Landesliste zogen. Die zu 70 Prozent an Männer vergebenen Wahlkreise holten nur wenige Mandate. JOE

Halbe Rache

Halb geknickt ging die Firma RWE aus dem Tief Thorsten hervor, dass der Wettergott den Versorgungsmästen, die schon den zweiten Weltkrieg mitverloren, schickte. Allerdings blieb der andere Strompreistreiber in NRW, die Eon AG vom göttlichen Zorn verschont. In Folge des Schnee- und Eisregens froren Schweine, Euter in den Regionen Gronau und Ochtrup drohten zu platzen. Die St. Martinisierung der Region schritt voran, Menschen teilten Kaminzimmer und Daunenjacken. Ausblick für 2006: Es regnet Batterien KOK

Halbe Besetzung

Die Werbewelt ist paradox: In Düsseldorf sind zwar mit 900 nur halb so viele Agenturen ansässig wie in der Reklame-City Hamburg (1.801). Und in der NRW-Landeshauptstadt sind auch nur halb so viele Mitarbeiter (6.500) in der Werbebranche tätig wie in der Nordmetropole (10.800). Doch in Düsseldorf wird mit Reklame doppelt soviel Umsatz gemacht wie in Hamburg: 4,3 Milliarden Euro statt 2,1 Millarden Euro. Des Rätsels Lösung: In Düsseldorf sitzen mit BBDO, Grey Global Group Deutschland und Publicis Gruppe Deutschland die drei größten Agenturen der Republik. Die machen mit wenig Leuten viel Umsatz. Soll noch einer sagen, die Rheinländer seien gemütlich. SES

Halbe Gebühren

Die NRW-Hochschulen waren beim Studiengebühren-Gesetzentwurf geteilter Meinung, sehr zum Ärger von Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP). „Die wenigsten Hochschulen haben bisher explizit zugesagt, Gebühren einzuführen“, sagt Daniel Houben, Sprecher vom Landes-Asten-Treffen. Jede Hochschule trifft diese Entscheidung im Senat selbst. Zum Beispiel lehnten die Universität Münster, die Fachhochschule Münster und die Fachhochschule Dortmund den Entwurf im Oktober sogar komplett ab und wollen auch im nächsten Jahr mit den regulären Mitteln auskommen. Statt der Höchstsumme von 500 Euro könnten Unis und FHs auch weniger, zum Beispiel nur die Hälfte davon, erheben. MOS

Halber Schulweg

Bald müssen SchülerInnen und StudentInnen mehr für ihre vergünstigten Tickets bezahlen. Was das NRW-Verkehrsministerium „Neuberechnung“ nennt, bedeutet zum Beispiel 27 Millionen Euro weniger für die SchülerInnentickets. Denn statt bisher 240 Schultagen werden nach einem Beschluss der ehemaligen Bundesregierung nun nur noch 200 Schultage für die Förderung zugrunde gelegt. Seit 2004 wird bei den Tickets für Menschen in Ausbildung um vier Prozent jährlich im Land gekürzt. Auch überlegt Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU), Verkehrsbetriebe zusammenzulegen, um Kosten zu sparen. Das wird momentan in einem Gutachten geprüft. MOS

Halb exportiert

Die nordrhein-westfälische Wirtschaft exportiert nur noch halb so viel aus China, wie sie importiert. Dieses Rechercheergebnis präsentierten die Nachrichtenagenturen anlässlich des Besuches des chinesischen Staatschefs Hu Jintao in NRW. Auch die Menschenrechte scheinen kein NRW-Exportschlager zu sein. Schließlich mahnte Ministerpräsident Rüttgers Herrn Jintao mit den Worten des konfuzianischen Gelehrten Mengzi. Der sagte vor rund 2.300 Jahren: „Jeder einzelne Mensch besitzt eine ihm angeborene Würde in sich selbst.“ Zu der Zeit konnte im Teutoburger Wald noch niemand lesen. Dementsprechend hörte Jintao wohl nur halb hin. KOK

Halbes Theater

Mitte November beschied das NRW-Kultursekretariat: Die „Impulse“ gibt es ab sofort nur noch halb so oft. Das Theatertreffen der freien Bühnen wird künftig nicht mehr jährlich, sondern alle zwei Jahre stattfinden. Mit dieser Sparaktion soll das Festival besser ausgestattet werden. Eine Rückkehr zum jährlichen Turnus ist nicht ausgeschlossen, steht aber in den Sternen. Theatermacher waren bestürzt. Es wird befürchtet, dass etliche Produktionen nicht mehr teilnehmen können, da die Arbeitsweise der freien Szene nicht auf einen Zeitraum von zwei Jahren angelegt ist. Ergo: halbierte Qualität. ROS

Halber Meister

Zwar wurde Schalke Vizemeister hinter Bayern, qualifizierte sich für die Champions Leugue und Neutrainer Ralf Rangnick hatte Optimales herausgeholt. Doch Königsblau blieb seltsam rational. Im Sommer 2001 war der zweite Platz noch Anlass für Extase und für Wuttränen. Trotz „Glück Auf“-Gegrüße wurde Rangnick nicht warm mit Manager Assauer. Vor der Winterpause lief der Coach eine Ehrenrunde bis zum Abgang. Und Schalke hat nur einen halben Trainerstab. CSC

Halbiertes grünes Traumpaar: Nur Vesper ist geblieben

Fünfzehn Jahre lang bildeten sie das Dreamteam der Grünen: Bärbel Höhn und Michael Vesper. Gemeinsam führten die Oberhausenerin und der Kölner 1990 die Partei in den Landtag, gemeinsam standen sie anschließend fünf Jahre lang der Landtagsfraktion vor, gemeinsam wurden die beiden 1995 die ersten – und auf absehbare Zeit auch wohl einzigen – grünen MinisterInnen in einer Landesregierung Nordrhein-Westfalens. Immerhin zehn Jahre blieben die 53-jährige „Linke“ und der gleichaltrige „Realo“ hier auf Posten. In der 25-jährigen Geschichte der Grünen hat es niemand sonst über einen solch langen Zeitraum im Ministersessel ausgehalten. Aber dann kam Landtagswahl im Mai. Und danach trennten sich die Wege: Nur die eine Hälfte hielt es nach der rot-grünen Niederlage in Düsseldorf, die andere zog es nach Berlin. Während Vesper nunmehr als Vizepräsident des Landtags amtiert, steht Höhn inzwischen dem Bundestagsausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vor. Das Ende des grünen Traumpaares. PAB

Halb fusioniert

Ihr Erfolgsjahr begannen Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) und PDS als Konkurrenten. Getrennt traten die Linken zur NRW-Landtagswahl am 22. Mai an. Das Ergebnis war allenfalls ein halber Erfolg für die altsoziale Anti-Hartz-IV-Partei WASG: 2,2 Prozent. Die PDS kam gerade mal auf ein Prozent der Stimmen. Danach wurden die Landesverbände vom linken Doppel überrannt: PDS-Star Gregor Gysi und Ex-SPD-Chef Oskar Lafontaine wollten ein Linksbündnis für die Bundestagswahl am 18. September – aus wahlrechtlichen Gründen unter PDS-Führung. Die streitlustige WASG-Basis folgte murrend. Der Lohn bei der Wahl: In NRW kam man auf 5,2 Prozent. 2007 soll es links keine halben Sachen mehr geben. Die Fusion zur Mutter aller Linksparteien steht an: Gysi und Oskar traten gestern schon mal der jeweils anderen Parteihälfte bei. TEI

Halb gesungen

Für läppische 45 Minuten Halbplayback bekommt der Schlagersänger Roland Kaiser (SPD) 13.200 Euro. Das wurde im Februar bei einem Prozess vor dem Landgericht Münster bekannt. Kaiser hatte geklagt, weil ihm der Veranstalter eines Schlagerfestivals in Osterholz-Scharmbek (Niedersachsen) sein Honorar vorenthalten hatte. Der Veranstalter war der Meinung, Kaiser sei bei seinem Auftritt betrunken gewesen. Und zwar „völlig“ – nicht halb. Deshalb wollte er nicht zahlen. Das Gericht sah das anders. Kaiser gewann. ROS

Halbprominenter

Er gibt sich gern als Harald Schmidts genügsame Hälfte. Auch Manuel Andrack (40) hat mit dem Entertainer ‘rüber gemacht ins Erste. Sitzt seinem Herrn zur Seite. Spielt mal ein Dia, eine Hompage ein und gibt den dankbaren „Sidekick“, der sich auch über den flachsten Kalauer vom Boss freut und gern mit der eigenen Bekanntheit kokettiert: „Ich bin nur ein halber V.I.P.“ sagt der Kunsthistoriker dann. Doch verkauft der Kölner mit seinem Fernsehgesicht längst Wanderführer oder Saisonerlebnisse mit dem FC Köln. CSC