: „Niemand weiß, wie viele Fans kommen werden“
taz-Serie „Vorschau 2006“ (Teil 4): Kaum etwas wird das Jahr 2006 so bestimmen wie die Fußball-WM. Sechs Spiele finden in Berlin statt. Bernd Schiphorst, Chef des Berliner Organisationskomitees, weiß, wo die Teams trainieren können, die Fans gucken sollen und warum die Stadt grün-blau wird
INTERVIEW ANDREAS RÜTTENAUER
taz: Herr Schiphorst, sind Sie schon im WM-Fieber?
Bernd Schiphorst: Das bleibt nicht aus. Wir sind ja seit über einem Jahr in den Vorbereitungen. Und man merkt am Arbeitsanfall, dass es jetzt ernst wird.
Was macht eigentlich der Chef einer OK-Außenstelle?
Die Organisation ist, wenn Sie so wollen, zentral in Frankfurt angesiedelt. Dort sitzt das Organisationskomitee (OK) mit über 200 Mitarbeitern. Und in den einzelnen Austragungsorten gibt es immer zwei Säulen. Auf der einen Seite die jeweilige Stadt – in Berlin der Senat mit seinen unterschiedlichen Verwaltungen – und da sind eine Menge Ressorts betroffen. Und auf der anderen Seite das lokale Organisationskomitee, bei dem ich den ehrenamtlichen Vorsitz führe. Darunter gibt es dann eine ganze Mannschaft hauptberuflicher Mitarbeiter. Die sitzen alle am Adlerplatz im Olympiapark, also unmittelbar am Geschehen. Das sind diejenigen, die die Hauptlast der Arbeit tragen. Ich bin so etwas wie der Aufsichtsratsvorsitzende.
Eine eher repräsentative Aufgabe?
Nun, wir treffen uns sehr regelmäßig, einmal in der Woche. Dann wird berichtet, was läuft. Also ich bin im Tagesgeschäft drin, aber die Ausführung des Tagesgeschäfts läuft wesentlich über die hauptamtlichen Mitarbeiter.
Gibt es denn schon Vorstellungen darüber, wie es in Berlin aussehen wird Anfang Juni nächsten Jahres?
Die müssen wir haben. Seit Monaten machen wir Planspiele für den Tag X. Das fällt uns jetzt ein bisschen leichter, nachdem wir wissen, welche Spielpaarungen auf Berlin zukommen, und nachdem wir die wesentlichen Entscheidungen für das Turnier selbst auf dem Tisch haben: Dass im Olympiastadion gespielt wird, ist klar, dass die deutsche Mannschaft im Schlosshotel wohnt, dass die deutsche Mannschaft das Trainingsgelände von Hertha BSC nutzen wird, dass wir die beiden Mannschaftshotels fixiert haben, dass wir die Trainingsplätze den jeweiligen Mannschaftshotels zugeordnet haben, dass wir jetzt ein bisschen mehr Klarheit darüber haben, was die für eine WM völlig neue Gala angeht, die zwei Tage vor dem Eröffnungsspiel ebenfalls im Berliner Olympiastadion stattfindet.
Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Nehmen Sie die Gala am 7. Juni. Wir wissen jetzt, welchen Raum, welche Flächen die Veranstaltung im Olympiapark beanspruchen wird. Das bedeutet zum Beispiel, dass die deutsche Mannschaft an den Tagen vor der Gala dort nicht trainieren kann, sondern ins Mommsenstadion ausweichen muss. Nun sind aber alle Weichen gestellt, alles ist vertraglich fixiert, so dass es zu keinen größeren Problemen kommen wird zwischen Stadt und Organisationskomitee und natürlich der Fifa. Wir haben jetzt auch Klarheit darüber, wo die offiziellen Fanfeste stattfinden werden. Wobei ich sagen muss, dass das eine Sache zwischen Senat und Fifa war, das Organisationskomitee immer nur informell dabei war.
Hat Sie das Hickhack um den Standort die Fanmeile an der Straße des 17. Juni ein wenig geärgert?
Das Wichtigste ist doch, dass jetzt eine Entscheidung gefallen ist, so dass auch alle Verträge abgeschlossen werden können. Es werden sich jetzt Agenturen, die mit der Durchführung solcher Events vertraut sind, melden und Angebote machen und ihre Konzepte vorstellen. Die Verträge werden verhandelt, und dann steht der ganzen Sache eigentlich nichts mehr im Wege. Natürlich kann ich auch diejenigen verstehen, die durch die Straßensperren auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz den ein oder anderen Umweg in Kauf nehmen müssen. Die sind, wenn sie mit Fußball nichts am Hut haben, wenig glücklich. Aber ich denke, dass der Verkehr an dieser Stelle, auch aufgrund der anderen Fanfeste in der Nähe des Brandenburger Tors, ohnehin nicht flüssig gelaufen wäre.
Wird die WM auch an anderen Orten in Berlin präsent sein?
Auch in dieser Hinsicht gibt es Vorgaben von der Fifa. So wird, wo immer es möglich und gewünscht ist, die Stadt in grün-blaue Farben getaucht. Das so genannte City-Dressing-Konzept sieht vor, dass vor allem die Protokollstrecke in den Farben der jeweiligen WM-Stadt geschmückt wird.
Wie viele Fans werden eigentlich erwartet in Berlin?
Das kann niemand so genau sagen. Ich kenne zwar eine Studie eines Marktforschungsinstituts, die versucht hat, eine Zahl zu errechnen. Aber es weiß wirklich niemand, wie viele Fans tatsächlich kommen werden. Denn es gibt nicht nur das Stadion als Anlaufpunkt. Auch die Fanfeste, also diese Public-Viewing-Geschichten, werden ein Anziehungspunkt sein, weil es immer mehr Menschen gibt, die es vorziehen, in Gemeinschaft mit anderen Fußball zu erleben, statt sich zu Hause allein vor den Fernseher zu setzen.
Müssen die Berliner Angst haben vor bestimmten Fangruppierungen?
Die Sicherheit in der Stadt, auch die ist in der Hauptsache Angelegenheit der Sicherheitsbehörden des Landes und des Bundes. Wir vom Organisationskomitee sind für Sicherheitsfragen nur zuständig, wenn es um den Bereich des Stadions selbst geht. Auch hier finden alle Maßnahmen in enger Abstimmung mit den anderen Sicherheitsorganen statt. Wenn ich mir zudem die Mannschaften ansehe, die nach Berlin gelost wurden, ist sicherlich kein Spiel mit besonders hohem Gefährdungspotenzial dabei.
Und wenn Deutschland spielt?
Dann ist viel los, auch beim Brasilien-Spiel. Und aus Schweden werden viele Fans kommen, schon alleine, weil Berlin von dort aus gut zu erreichen ist. Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass beispielsweise aus Ecuador allzu viele Menschen anreisen werden oder aus Paraguay und Tunesien. Wir haben es also in dieser Hinsicht zunächst ein bisschen einfacher als vielleicht die Städte, in denen europäische Mannschaften aufeinander treffen. Wer dann im Viertelfinale nach Berlin kommt, wird ohnehin sportlich entschieden. Und zum Finale als Höhepunkt des Turniers kann sich dann alles auf Berlin konzentrieren.
Wird die Anwesenheit von Sicherheitspersonal das Stadtbild prägen?
Natürlich wird es gewisse Einschränkungen geben. Aber der Grundsatz ist: So viel Sicherheit wie nötig, so wenig Einschränkungen wie möglich. Und wer mit der WM partout nichts zu tun haben will, der sollte am besten die Stadt verlassen und Urlaub machen. Das haben die Athener auch gemacht, als dort die Olympischen Spiele stattgefunden haben. Dort hat man im Vorfeld übrigens auch große Sorgen gehabt, was die Sicherheit betrifft. Und ich war in Athen, so dass ich sagen kann, dass das im Stadtbild kaum wahrzunehmen war.
Wie stark dominiert das Thema WM Ihr Umfeld?
Ich darf mal scherzhaft sagen: Die Einschläge kommen näher. Ich bekomme jetzt zum Beispiel vermehrt Anfragen von Freunden und Bekannten, die wissen wollen, wo man noch Karten kaufen kann.