: Aufenthalt ist nicht gleich Wohnen
WEISSENSEE Verwaltungsgericht entscheidet: Maßregelvollzug darf vorerst nicht in Wohngebiet eröffnen
Im Maßregelvollzug wird nicht gewohnt, das hat Christian Thomsen, Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH „Zeitraum“, gestern im Berliner Verwaltungsgericht gelernt. Der Aufenthalt in der „Gefängnispsychiatrie“ ist weder freiwillig noch längerfristig angelegt. Darum darf sich eine solche Einrichtung nicht in einem Wohngebiet ansiedeln – es sei denn, der Bauherr hat eine Befreiung von der Baunutzungsverordnung.
„Zeitraum“ wollte am 6. Mai in einem als Gefängnis erbauten, später als Jugendwohnheim genutzten Gebäude in der Weißenseer Schönstraße ein Wohnprojekt für rund 20 Maßregelpatienten eröffnen. Man hatte die Baugenehmigung vom Bezirksamt Pankow, hätte aber auch die Befreiung von der Baunutzungsverordnung beantragen müssen. Weil dies nicht geschah, gab das Verwaltungsgericht dem Eilantrag eines Anwohners statt. Die Bewohner können bis zu dieser Befreiung nicht einziehen.
Thomes ist tief enttäuscht, dass die Richter nicht „der Vernunft den Weg“ bereitet und sich hinter Spitzfindigkeiten versteckt hätten. Man wird die Befreiung beantragen, vielleicht erteilt sie der Bezirk auch, der dem Vorhaben wohlgesonnen ist. Aber „Zeitraum“ kann das Gebäude nicht lange leer stehen lassen. Man überlege nun, ob dort andere psychisch Kranke einziehen sollen, die zwar keine Straftat begangen haben, möglicherweise aber in einem weit geringerem Maße therapiert sind.
Ursprünglich sollten hier Menschen einziehen, die zumeist im akuten Wahn eine Straftat begangen haben. Im Maßregelvollzug haben sie sich mit ihrer Krankheit und ihrem Delikt auseinander gesetzt, wurden medikamentös eingestellt und sollen bald in ein selbstständiges Leben entlassen werden. Um sich darauf vorzubereiten, sollten in Weißensee kleine Wohneinheiten beziehen. Nun werden diese Menschen zwar dennoch entlassen, aber unter Aufsicht werden sie sich nicht auf die neue Situation vorbereiten können.
UTA EISENHARDT