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Archiv-Artikel

Gysi landet bei der WASG

Zum Jahresende bieten Wahlalternative und Linkspartei noch einmal großes Theater – beim Streit um Gregor Gysis WASG-Eintritt. Auch 2006 werden die Kontrahenten ihr Publikum gut unterhalten

VON MATTHIAS LOHRE

Politischen Parteien wird viel zu selten gedankt. Deshalb tun wir das mal. Ganz ausdrücklich, mit herzlicher Umarmung und fettem Schmatzer: Danke, liebe WASG! Und auch Du, in Linkspartei umgetaufte PDS, sollst nicht ungeknutscht Silvester feiern. Komm her und lass Dich knuddeln! Denn Euch haben wir zu einem beträchtlichen Teil zu danken, dass wir im Jahr 2005 immer wieder etwas Neues zu berichten hatten.

Beispielsweise, wenn die kleinere der beiden Grazien die größere als „neoliberal“ beschimpfte. Oder wenn die daraufhin schnippisch mit „Gurkentruppe“ konterte. Sogar in der nachrichtenarmen Zeit vor dem Jahreswechsel seid Ihr Eures neckischen Spiels namens „Parteifusion bis 2007 - Ja oder Nein?“ nicht müde geworden. Und wir JournalistInnen haben wieder etwas zu schreiben und zu senden. Das ist lieb von Euch.

Noch kurz vor Silvester schafft Ihr es, Euch über eine einfache Frage öffentlich zu streiten: Ist Gregor Gysi Mitglied der Wahlalternative oder nicht? Erst bestritt der WASG-Pressesprecher Gerhard Seyfarth das am Donnerstag. Er wusste es nicht besser. Denn sein Landesvorstand hatte zunächst auch keine Ahnung vom prominenten, aber ungeliebten Neumitglied. „Das waren Kommunikationsprobleme zwischen den Jahren“, sagt Barbara Suhr-Bartsch vom WASG-Landesvorstand dazu. Denn Tatsache ist: Gregor Gysi ist bereits seit dem 21. Dezember Mitglied im Bezirksverband Treptow-Köpenick. Es sollte nur noch nicht bekannt gegeben werden. Mit vier zu eins Stimmen habe der Vorstand den Aufnahmeantrag abgenickt, sagt der Bezirksvorsitzende Hartmut Nemak. Deshalb stehen laut Suhr-Bartsch bald Gespräche mit eben jenem Bezirksvorstand an. Mit „klärendem, nicht vorführendem Charakter“ natürlich.

Denn eigentlich fürchtete die Mehrheit im WASG-Landesvorstand bislang eine Unterwanderung durch Mitglieder der vermeintlich neoliberalen, dreizehnmal größeren Ex-PDS. LinksparteilerInnen sollten daher mal schön draußen bleiben. Aufnahmeanträge, so die Vorgabe des Landesvorstands, sollten erst ab Januar bearbeitet werden. Dann sind bei der WASG keine Doppelmitgliedschaften mehr erlaubt. Gysi hätte in dem Fall zwischen der geliebten Linkspartei und der Wahlalternative entscheiden müssen.

Die Furcht vor Unterwanderung durch die fünfte Kolonne der SozialistInnen, befeuert von einer Äußerung des damaligen Linksparteichefs Stefan Liebich, hat sich mittlerweile gelegt. Ganze neun LinksparteilerInnen, sagt Suhr-Bartsch, seien in den vergangenen Wochen der WASG beigetreten.

Hartmut Nemak erklärt seine Zustimmung zu Gysis Beitritt so: „Man kann doch keine regierungskritische Politik umsetzen, wenn man sich gleichzeitig durch solche Spielchen aller politischen Möglichkeiten beraubt.“

Außerhalb der WASG würden dem vermutlich die meisten BeobachterInnen zustimmen. In der 700-Mitglieder-Partei sieht das anders aus. Dort herrscht ein Kampf zwischen FusionsgegnerInnen von der Sozialistischen Alternative und der Linksfront auf der einen Seite und kleineren, gemäßigteren Gruppen auf der anderen.

Auch im kommenden Jahr wird dieser Konflikt Material für viele Geschichten liefern. Schon Ende Januar werden schätzungsweise 200 VertreterInnen von WASG und außerparlamentarischer Gruppen auf Einladung der Wahlalternative in Berlin konferieren. Das Thema: „Regierungsbeteiligung als Gretchenfrage?“ Nur einen Monat später steht die Urabstimmung in der WASG an. Das Ergebnis wird darüber entscheiden, ob die Partei mit oder gegen die Linkspartei bei der Abgeordnetenhauswahl im September antreten wird. Das wird spannend. Deshalb kommt an unser Herz, Ihr Racker von Linkspartei und WASG! Euch man einfach lieb haben.