: In Sri Lanka droht ein neuer Krieg
Warnung vor einem Zusammenbruch des Waffenstillstands. Norwegen kündigt neuen Vermittlungsversuch an
BOMBAY taz ■ In Sri Lanka wächst die Gewalt. Im Dezember forderten Anschläge, politische Morde und Überfälle 83 Tote. Am Donnerstag warnte deshalb die Überwachungskommission für den seit Februar 2002 gültigen Waffenstillstand vor einem Wiederaufflammen des Bürgerkriegs, sollten Regierung und Tamilenrebellen nicht bald neue Verhandlungen aufnehmen: „Wenn der Trend zur Gewalt weitergeht, könnte der Krieg nicht mehr fern sein,“ sagte der norwegische Kommissionschef Hagrup Haukland.
Noch gibt es Hoffnung. So kündigte Norwegens Entwicklungshilfeminister Erik Solheim, der 2002 den Waffenstillstand ausgehandelt hatte, eine Reise nach Sri Lanka für Ende Januar an, um den festgefahrenen Friedensprozess wieder in Gang zu bringen. Und gestern trafen sich fünf Bischöfe aus verschiedenen Regionen Sri Lankas mit dem politischen Sprecher der Rebellenorganisation LTTE, S. P. Thamilchelvan. Schon früher hatten die Bischöfe Bedingungen für Friedensgespräche sondiert.
Die Gewalt zwischen Tamilenrebellen und Armee eskaliert seit den Parlamentswahlen im November. Am letzten Dienstag starben zwölf Soldaten durch eine Landmine. Am Wochenende zuvor wurde der 71-jährige tamilische Parlamentsabgeordnete Joseph Pararajasingham in der Hafenstadt Baticaloa von Unbekannten erschossen. Am 23. Dezember fuhr ein Militärbus im Nordwesten auf eine Mine und wurde anschließend mit Granaten beschossen. 13 Soldaten starben. Einen Tag später gab es ein offenes Feuergefecht zwischen LTTE-Kämpfern und Regierungssoldaten, das erste seit Beginn des Waffenstillstands.
Eine Woche zuvor war ein Armeehubschrauber über dem von der LTTE kontrollierten Norden und Nordosten abgeschossen worden. Kommissionschef Haukland warf den Rebellen einen „groben Verstoß“ gegen den Waffenstillstand vor.
Am 17. November war der „Hardliner“ Mahinda Rajapakse mit knapper Mehrheit zum Präsidenten gewählt worden, der weit reichende Exekutivgewalt besitzt. Rajapakse koaliert mit den kleineren Parteien JVP und JHU, die kompromisslos die singhalesische Mehrheit vertreten. Sie begrenzen seinen Verhandlungsspielraum, weil sie eine föderalistische Lösung ablehnen, die den Tamilen einen eigenen Bundesstaat im Norden und Nordosten zubilligen würde. Rajapakse präsentiert sich denn auch als „Unitarist“, der die politische Einheit des Landes ganz im Sinne radikaler Singhalesen nicht antasten will. Die LTTE dagegen fordert die „Selbstbestimmung“ von Sri Lankas Tamilen in einem eigenen Staat.
Während der vergangenen Woche der Gewalt verzeichnete die Börse in Colombo heftige Kursverluste. Für den heutigen Silvesterabend ruft die Nationale Antikriegsfront NAWF verschiedener Nichtregierungsorganisationen zu einer Mahnwache in Colombo auf. Ihre Forderung: Beide Seiten müssten die Verletzungen des Waffenstillstands einstellen und unverzüglich an den Verhandlungstisch zurückkehren.
Der 20 Jahre währende Bürgerkrieg forderte rund 69.000 Tote. REGINE HAFFSTEDT