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Der Populäre

Verteidigung: Hugo Chávez. In Lateinamerika die Nummer 1

Seit den letzten Parlamentswahlen rennt Hugo Chávez im eigenen Land auf ein leeres Tor zu – seine Gegner zogen es vor, erst gar nicht anzutreten. Zu Recht warf er ihnen grobe Unsportlichkeit vor. Chávez’ Popularität bei seinen Fans in Venezuela und in ganz Lateinamerika hat das keinen Abbruch getan: Als Einziger der neuen linken Mannschaftskapitäne des Subkontinents hat Chávez seinen Fans wirklich etwas zu bieten – dank der hohen Erdölpreise kann er aus dem Vollen schöpfen.

Diese besondere Rolle im Team der linken Renaissance spielt er mit Wonne und gelegentlich in Eitelkeit umschlagendem Selbstbewusstsein. Wenn etwa US-Mittelstürmerin Condoleezza Rice sagt, die USA sähen die Entwicklung in Venezuela mit Sorge, antwortet Chávez im Fernsehen, er sähe die Entwicklung in den USA ebenfalls mit Sorge. Das kann sich – außer Fidel Castro – kein anderer lateinamerikanischer Mannschaftskapitän leisten, und allein dafür liegt Chávez halb Lateinamerika zu Füßen. Vor allem, solange es bei rhetorischem Geplänkel bleibt und Venezuela und USA nicht wirklich auf den großen Hooligan-Showdown zusteuern, den Chávez stets prophezeit und für den er Waffen kauft und seine bolivarischen Freunde der dritten Halbzeit trainieren lässt.

In Form bringen kann sich Chávez für das neue Jahr bereits Ende Januar, wenn in Caracas das lateinamerikanische Weltsozialforum stattfindet. Da will Chávez noch einmal zeigen, dass er für die Fans die Nummer 1 im lateinamerikanischen Spiel ist. Aber mit seinem Führungsanspruch wächst auch der Druck auf ihn, seine Spielphilosophie der „bolivarischen Revolution“ und des „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ auch theoretisch zu untermauern, statt immer nur im Alleingang den Ball nach vorne zu schlagen. Spätestens der Wahlkampf für seine – als sicher geltende – Wiederwahl im Dezember dürfte Chávez Gelegenheit geben, seine Botschaft zu verfeinern.

Kurz: Chávez setzt aus der Verteidigung kraftvolle Akzente nach vorn und könnte das Gesicht der Mannschaft im lateinamerikanischen Superwahljahr 2006 entscheidend prägen.

Jetzt muss er noch lernen, den Ball auch wieder abzuspielen und nicht immer alles allein zu machen.

BERND PICKERT